Deshalb überwinden Deine Lernenden ihre Lernhindernisse nicht

Ein Lernprozess kommt nie ganz ohne Hindernisse.

Im Gegenteil, oftmals ist es genau die Überwindung dieser Lernhindernisse, die am Ende das lohnende Gefühl des Lernerfolgs erzeugt. Andrea nennt das beispielsweise gerne „dosierte Überforderung“.

Doch ab und zu gibt es auch Lernende, die an ihren Lernschwierigkeiten zu verzweifeln und dann zu scheitern scheinen.

Denn manchmal gibt es Lernhindernisse, die sehr tief verwurzelt sind – auch in der individuellen Person. Es kann sogar sein, dass sie sich dann in negativen Formen äußern, die zu Störungen für die Gruppe werden.

Haben sich diese Strukturen einmal gefestigt, können sie schwer zu durchbrechen sein. Denn es entsteht in Lernprozessen leicht eine Art Teufelskreis der Lernschwierigkeiten.

Die einzige Möglichkeit, aus diesem auszubrechen, ist die absolute Bewusstmachung dieses Kreislaufs. Denn erst wenn wir diese Muster verstehen, können wir den Lernenden auch dabei helfen.

Wir schauen uns also einmal an, wie der Teufelskreis der Lernschwierigkeiten entsteht und wie wir am besten eingreifen können:

1. “Versagen”

Damit beginnt der gesamte Teufelskreis der Lernschwierigkeiten – mit einem Versagen in einer Leistungssituation.

Dabei kann dieses Versagen auch durchaus sehr subjektiv erlebt werden, daher die Anführungszeichen. Der Kreislauf wird oftmals in Gang gesetzt, nur weil eine Person individuell den Eindruck eines Versagens hatte.

Eine nicht-bestandene Prüfung, eine als schlecht wahrgenommene Präsentation, ein Black-out zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Wenn wir versagen und nicht die Leistung bringen, die wir oder andere von uns erwarten, fühlen wir uns oftmals sehr persönlich betroffen oder sogar blamiert.

2. Kränkung

Auf dieses Gefühl folgt schon bald die äußerst unangenehme Emotion der Kränkung.

Die Person fühlt sich verunsichert und zweifelt ihre eigenen Fähigkeiten an – und will sich aber oftmals gleichzeitig davor schützen.

3. Angst

Denn wenn wir dieses Gefühl einmal erlebt haben, stellt sich bei vielen direkt die Angst vor einem erneuten Versagen ein.

So funktionieren wir Menschen leider teilweise einfach: Wir machen eine schlechte Erfahrung in einem bestimmten Kontext und setzen dann, bewusst oder unbewusst, alles daran um diese Erfahrung in Zukunft zu verhindern.

Wenn es sich um eine heiße Herdplatte handelt, ist das sicherlich eine gute Idee – bei anderen Lernerlebnissen ist es für uns eher hinderlich.

4. Selbstwertgefühl sinkt

Für uns gibt es starke Verbindungen zwischen unserem Selbstwertgefühl und wie wir unsere Fähigkeiten und Leistungen erleben.

Wenn wir das Vertrauen in unsere eigene Kompetenz verlieren, sinkt folglich auch das Selbstwertgefühl. Das beeinträchtigt uns in vielerlei Hinsicht und untergräbt vor allem auch jegliche Motivation für weiteres Lernen.

5. Schonung

Ein angegriffenes Selbstwertgefühl möchte sich einfach zurückziehen und weitere Kränkungen vermeiden. Daher ist die nächste Phase häufig die Schonung.

Das rechtfertigen wir dann gerne mit Aussagen wie „Das braucht doch sowieso kein Mensch“, um uns weniger persönlich betroffen zu fühlen. Damit können wir die Verantwortung für das Versagen von uns wegschieben oder uns damit trösten, dass es anderen schließlich auch so geht.

6. Vermeidung

Schon bald entsteht aktives Vermeidungsverhalten, in dem wir Situationen bewusst umgehen. Hier verwandeln sich also Gefühle in Handlungen und haben daher eine noch größere Auswirkung.

Hatten wir beispielsweise im Sportunterricht eine besonders schlechte Erfahrung, wird der Turnbeutel gerne öfter vergessen oder der Unterricht wird gleich ganz geschwänzt.

7. Lücken

Hier ist nun das eigentliche Problem des gesamten Teufelskreises: Durch die Kränkung und die anschließende Vermeidung entstehen oftmals große Lücken – manchmal sogar an wichtigen Stellen.

Aus diesem Grund wehren sich beispielsweise einige Menschen gegen alles, was mit Digitalisierung zu tun hat. Ihr Selbstwertgefühl in diesem Bereich ist besonders niedrig und so lehnen sie das Thema einfach ab.

In der Praxis passiert es daher, dass diese Personen wichtige Kenntnisse nicht erwerben oder als Konsequenz im Beruf übergangen werden.

Wie können wir helfen?

Wie können wir Teilnehmer:innen helfen, die in einem solchen Teufelskreis gefangen sind?

Die gute Nachricht ist zunächst: Diese Art von Lernschwierigkeit ist erworben.

Das bedeutet, dass es sich nicht um eine angeborenes Lernhindernis handelt und wir uns mit den richtigen Mitteln daher auch wieder aus einem solchen Kreislauf befreien können.

Das heißt allerdings nicht, dass das ein einfaches Unterfangen ist. Im Gegenteil, manchmal werden solche Lernschwierigkeiten überhaupt nicht wirklich bemerkt oder einfach als „Faulheit“ oder „Lernunwilligkeit“ abgestempelt.

Dabei haben wir es hier vor allem eben mit tief verunsicherten Lernenden zu tun.

Was sie also besonders brauchen, sind Lernerfolge und positive Erfahrungen mit dem Lernen. Denn nur so können sie langsam ihre Wahrnehmung ändern und ihr Selbstbewusstsein aufbauen.

Im Prinzip gibt es drei wichtige Strategien für den Umgang mit Lernenden, die sich in einem Teufelskreis von Lernhindernissen befinden:

  1. Bewusstmachung der Prozesse
  2. Offene Lern- und Fehlerkultur
  3. Viele Lernerfolge schaffen

1.

Zunächst einmal kann es wirklich helfen, mit den entsprechenden Lernenden offen zu kommunizieren oder diesen Kreislauf im Rahmen der Veranstaltung zu besprechen – zum Beispiel, wenn es sich um eine besonders betroffene Gruppe handelt.

Denn oftmals laufen diese Prozesse sogar für die Lernenden so unbewusst ab, dass sie gar nicht wissen, wie sie in die aktuelle Situation gekommen sind. Wenn sie den „Feind“ kennen, können sie viel besser und bewusster dagegen angehen und neue Strukturen zulassen.

2.

Für eine solche Gruppe ist es extrem wichtig, dass die Lernkultur besonders offen und tolerant ist. Sie müssen von Anfang an das Gefühl bekommen, dass sie keine Fehler im eigentlichen Sinne machen können und alles zu einem Lernprozess dazugehört.

Das schließt auch mit ein, dass besonders viel Wert auf wertschätzendes Feedback gelegt wird – sowohl durch die Lernbegleitung als auch untereinander. Denn auch eine lernförderliche Gruppendynamik kann hier viel zur Entspannung beitragen und setzt Teilnehmer:innen nicht zusätzlich unter Leistungsdruck.

Je mehr Individualität zusätzlich bei der Bearbeitung von Aufgaben erlaubt wird, desto unbefangener können Lernende sich ausprobieren und ihre Stärken entdecken.

3.

Das angegriffene Selbstwertgefühl lässt sich vor allem über Erfolgserlebnisse wieder aufbauen.

Das heißt, Du solltest für solche Lerngruppen ein Konzept finden, das viel Raum für regelmäßige Lernerfolge bietet. Das bedeutet unter anderem auch, dass die einzelnen Einheiten nicht zu lang und überwältigend sein sollten.

Je besser die Inhalte heruntergebrochen werden und vom Allgemeinen zum Speziellen gehen, desto leichter werden sie greifbar. Auch didaktische Prinzipien wie das >>Microlearning können dafür sorgen, dass es besonders viele Lernerfolge gibt.

Über diese Erfolge realisieren die Lernenden, dass ein Thema gar nicht so bedrohlich ist und auch sie die Aufgaben bewältigen können. Durch diese Erfahrungen setzt sich ein anderer, positiver Kreislauf in Gang, bei dem sie durch immer größere Erfolge neue Kompetenzen erwerben und motiviert bleiben.

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