Agile Lernformate unter der Lupe! Was können Lean Coffee & Co?

Letzte Woche haben wir uns einmal ganz im Detail angeschaut, was sich hinter dem Begriff agiles Lernen verbirgt.

Du kannst Dir >>hier die Grundlagen durchlesen, auf denen die heutigen Formate unter anderem aufbauen.

Denn nachdem wir uns nun das didaktische Fundament angesehen haben, folgt der Praxistest als logische Konsequenz.

Wir haben uns für drei bekannte Lernformate entschieden, die wir heute einmal genauer beleuchten und auf ihre Anwendungsgebiete überprüfen werden:

  1. Rotation Days
  2. Lean Coffee
  3. Lunch & Learn

Alle drei Lernformate können besonders gut im Einklang mit dem Gedanken des agilen Lernens und Arbeitens funktionieren. Gleichzeitig brauchen sie weder großen finanziellen noch organisatorischen Aufwand und sind damit gut umsetzbar.

Diese Ideen können wir beispielsweise auch während einer Weiterbildung anregen und eventuell werden sie sich im Sinne einer nachhaltigen Lernkultur weiter verbreiten!

Grundsätzliches

Angelehnt an die letzte Woche bereits besprochenen Prinzipien des agilen Arbeitens bauen auch agile Lernformate auf ähnlichen Grundgedanken auf.

Das sind im Zusammenhang mit dem Lernen vor allem:

  • Ein hohes Maß an Selbstverantwortung und auch Kooperation
  • Direkter Bezug zur Praxis und Anwendungsszenarien
  • Fokus auf Wirksamkeit und weniger auf Regeln und geordnete Prozesse
  • Formate lassen daher auch viel Raum für informelle Kommunikation und spontanere Entwicklungen
  • Die Annahme, dass es nicht die eine reine Wahrheit gibt, sondern dass Lernende viele individuelle Wege finden können

Wir haben uns drei Formate rausgesucht und schauen wir uns jetzt einmal an, was sich hinter den einzelnen Begriffen methodisch verbirgt:

Rotation Days

Da wäre als Erstes das Lernformat „Rotation Days“.

Die Idee ist im Grunde ganz einfach, kann aber trotzdem einen großen Einfluss haben. Wir kennen alle die Redewendung „ Den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen“ – dieses Format soll das verhindern.

Denn es funktioniert so: Angenommen es gibt innerhalb einer Organisation verschiedene Teams/Abteilungen/Fachrichtungen.

Einmal im Monat rotiert jeweils ein Teammitglied in ein „fremdes“ Team und hospitiert im Prinzip. Das heißt an diesem einen Tag arbeitet in jedem einzelnen Team ein Gast-Mitglied.

Die Gäste arbeiten an diesem Tag voll mit. Das heißt natürlich, dass Rotation Days ein gewisses Maß an Planung erfordern, im Sinne einer sinnvollen Aufteilung bzw. Aufgabenbeschreibung.

Rotation Days sollen dafür sorgen, dass Teams weniger eingefahren werden und regelmäßig frische Perspektiven und auch Außenwahrnehmung bekommen. Gleichzeitig kommunizieren die einzelnen Abteilungen so automatisch mehr.

Das verhindert die soziale und fachliche „Blasenbildung“ und bietet einen guten Nährboden für Innovation. Bei regelmäßiger Umsetzung entwickeln einzelne Teams viel weniger Tunnelblick und öffnen sich mehr für neue Ansätze.

Wichtig ist hier auch immer eine kleine Nachbereitung oder Dokumentation: Wie ist der Tag verlaufen und welche Lernerlebnisse gab es?

Lean Coffee

Lean Coffee ist das nächste Format, das sich sehr gut für agile Lern- und Arbeitsumfelder eignet. Es wurde aus der Beobachtung heraus entwickelt, dass traditionelle Meetings häufig wenig zielführend oder produktiv sind.

Doch statt mehr Regeln oder eine strikte Agenda aufzustellen, versucht das Lean Coffee Format genau das Gegenteil. Es macht praktisch aus den Fehlern eine Tugend und findet Stärke in Zwanglosigkeit und Unstrukturiertheit.

Die Atmosphäre soll entspannt, offen und austauschfreudig sein – also ähnlich wie in einem Coffee Shop.

Es gibt keine vorher festgelegte Agenda oder Zielsetzung und diese thematische Offenheit soll vor allem auch sicherstellen, dass aktuelle Probleme diskutiert werden. Es gibt ebenfalls keine Teilnahmeverpflichtung, sondern nur eine Einladung zum Austausch auf Augenhöhe.

Es kann natürlich ein ungefähres Themenfeld eingegrenzt werden, um das Interesse zu wecken, aber auch auf spontanere Entwicklungen kann eingegangen werden. Eine Person muss während des Lean Coffees eine Art Moderationsrolle übernehmen.

Ansonsten werden im Prinzip keine Materialien oder Vorbereitung benötigt – eine Möglichkeit zur Visualisierung hilft allerdings sehr, zum Beispiel über ein digitales Whiteboard.

Eine solche Übersicht soll als einzige Richtlinie fungieren. Denn im ersten Schritt werden alle Vorschläge für zu diskutierende Themen und aktuelle Fragen gesammelt.

Hier können die Fragensteller:innen direkt auch ein bisschen Werbung für ihr Thema machen, denn im nächsten Schritt folgt eine gemeinsame Priorisierung durch eine Punktabstimmung. Alle haben eine festgelegte Anzahl an Punkten, die entweder für ein oder mehrere Themen vergeben werden können.

Das Thema mit den meisten Punkten wird als Erstes diskutiert und so geht es immer weiter, bis der vorher abgesteckte Zeitrahmen erschöpft ist. Damit eine gute Auswahl an Themen diskutiert werden kann, sollte eine „Timebox“ für jedes einzelne Thema festgelegt werden.

Wenn Du weitere Details zum Ablauf und zu den Herausforderungen des Formats möchtest, kannst Du zum Beispiel >>hier mehr im Detail nachlesen.

Ein Lernformat wie Lean Coffee sollte regelmäßig angesetzt werden, denn es fördert den Austausch ohne Hierarchien und gibt Menschen viel Raum für ihre aktuellen Anliegen. So werden beispielsweise auch Lernbedarfe schneller deutlich.

Lunch & Learn

Das Lunch & Learn (oder auch Brown Bag Meeting) ist ebenfalls ein Lernformat, das für mehr interne Kommunikation und Austausch sorgen kann.

Es soll auch dafür sorgen, dass kontinuierliche Weiterbildung immer eine Rolle spielt. Deshalb sollte es hier auch regelmäßige Termine geben.

Über einen Mittag wird zu einer kurzen Veranstaltung eingeladen, bei der ein Mitglied der Organisation über sein/ihr Fachthema spricht. Die Teilnahme ist immer freiwillig und anschließend gibt es eine offene Diskussion über das jeweilige Thema.

Der Name deutet natürlich darauf hin, dass die Teilnehmenden ihr Mittagessen mitbringen und daher die Veranstaltung eher zwanglos abläuft.

Da die Lernenden in diesem Fall praktisch ihre Mittagspause aufwenden, können sich Unternehmen hier besonders beliebt machen oder den Anreiz zum Lernen erhöhen, indem sie das Essen stellen.

Lunch & Learn erhöht also ebenfalls den Austausch und die Kooperation zwischen einzelnen Abteilungen. Außerdem bekommen auch die Vortragenden während der Diskussion und Fragerunde neue Impulse.

Es sorgt also dafür, dass Mitarbeitende auch in anderen Themen auf dem Laufenden bleiben, die Lust an Weiterbildung entdecken und sich untereinander besser vernetzen.

Dieser Wissenstransfer funktioniert sehr gut innerhalb einer Organisation, kann aber natürlich auch ausgeweitet werden, indem Expert:innen aus anderen Unternehmen oder Fachgebieten eingeladen werden.

Lunch & Learn schafft hier eine entspanntere Atmosphäre als viele andere Lernformate und eignet sich daher gut für Menschen, um ihre Fühler für das Lernen auszustrecken.

Wie Du siehst, sollen agile Lernformate vor allem Kommunikation und Kooperation fördern. Sie verhindern auch innerhalb von Organisation die Inselbildung und verbinden Menschen besser.

Hast Du schon einmal eines dieser Formate ausprobiert oder angeregt? Welches gefällt Dir am besten oder hast Du weitere Ideen?

Lernen! Aber agil?

Das Stichwort „Agil“ ist vor einigen Jahren bereits an vielen Stellen in der Arbeitswelt aufgekommen.

Plötzlich sollten sämtliche Business und Management Prozesse agil werden. Ob nun immer alle genau wussten, was das bedeuten sollte, sei einmal dahingestellt.

Auch den Begriff des agilen Lernens hast Du vielleicht schon einmal gehört.

Das Grundwort agil ist schließlich auch ein sehr positiv belegtes. Es bedeutet schnell, wendig, anpassbar und dynamisch.

Dynamik ist vermutlich etwas, das wir sowohl für Lern- als auch Arbeitsprozesse gerne hätten. Daher schauen wir uns heute einmal an, was sich hinter dem Konzept des agilen Lernens verbirgt:

Die 3 Ebenen

Da sich das agile Lernen auf ähnlichen Prinzipien wie das agile Arbeiten aufbaut, beruhen sie auch auf ähnlichen Wertvorstellungen.

Die Verknüpfung von Arbeiten und Lernen wurde irgendwann für Menschen zur Notwendigkeit. Denn sie waren frustriert, dass diese Prozesse so wenig ineinandergriffen.

Auch die rigorose Aufteilung von Arbeitsabläufen in verschiedene Abteilungen, die untereinander zu wenig kommunizierten, waren eine Quelle der Unzufriedenheit.

Daraus entstand dann Anfang der 2000er zunächst das Konzept des agilen Arbeitens, das diese Stolpersteine aus dem Weg zu räumen suchte.

Dafür müssen immer drei Ebenen berücksichtigt werden:

1. Individuum: Haltung, Fähigkeiten & Kompetenzen, Motivation

2. Organisation: Lernkultur, Lernorganisation, Rollenverteilung

3. Umfeld: Sozialstruktur, Institutionen

Agiles Lernen ist nicht strukturlos, sondern innerhalb von Strukturen flexibel.

Nur wenn alle Ebenen im Einklang eine Rolle spielen, kann agiles Arbeiten (und damit Lernen) funktionieren. Die einzelnen Teilaspekte sollten sich so viel wie möglich überschneiden, um Erfolge zu gewährleisten.

Das kann zum Beispiel heißen, dass sich die persönliche Motivation zur Weiterentwicklung in einem bestimmten Bereich mit den Zielen der übergeordneten Organisation überschneidet.

Umgekehrt wird sich die Etablierung von Lernkultur immer schwierig gestalten, wenn der Mehrwert in Maßnahmen und Inhalten nicht gesehen wird.

Die wichtigsten Werte

Wie genau die Ebenen, Strukturen und Lernorganisationen aussehen, kann sich also natürlich massiv von Fall zu Fall unterscheiden.

Das ist im Grunde ja auch einer der Vorteile – das dynamische Eingehen auf individuelle und situativ auftretende Lernbedarfe.

Trotzdem gibt es einige Prinzipien, auf denen gut implementiertes agiles Lernen (und Arbeiten) aufbauen sollte:

  • Flexible, dezentralisierte Netzwerke innerhalb einer strategischen Struktur
  • Akzeptanz von Unsicherheit im Bezug auf Institutionen
  • Lernen durch Erfahrung und Szenarien als Lernchance
  • Entkopplung vom „Gewinnen“ und dem Zwang der Lösungsfindung
  • Vernetzung und Kooperation, die Wichtigkeit des Kollektivs
  • Strategische Voraussicht im Einklang mit persönlichen Kontexten

Agiles Lernen ist mehr als eine Methodik, es ist in seiner reinsten Form ein Mindset, das gleichermaßen von Führung und Mitarbeitenden getragen wird.

Es bezieht auch sehr viele strategische Aspekte mit ein und betrachtet Unternehmensstrukturen in einer größeren Komplexität.

Am Ende kommt aber immer alles auf die einzelnen Menschen zurück, ihre Fähigkeiten und Motivationen und wie diese zu einem stimmigen Kollektiv zusammengefügt werden können.

Agile Praxis

Aufbauend auf diesen Grundlagen wird deutlich, dass sich das agile Lernen ideal in eine moderne Unternehmenskultur einfügen kann.

Denn das kontinuierliche Lernen soll sich an benötigten Handlungskompetenzen und den Arbeitsprozessen orientieren.

Das Lernen und die Lernmedien sollen gut vernetzt, digital und individualisiert nutzbar sein. Dadurch ist selbstverantwortliches und dynamisches Lernen möglich. Im besten Fall wird sich das Lernen im betrieblichen Kontext etwa folgendermaßen aufteilen:

  • 10% strukturiertes Training und Weiterbildung
  • 20% Lernen im Austausch mit anderen
  • 70% Lernen durch praktische Erfahrung im Arbeitsalltag

Das unterstreicht noch einmal, dass Menschen natürlich die meiste Zeit Lernbedarfe während ihrer Arbeitsabläufe decken werden müssen.

Weiterbildung und Anleitung sind sehr wichtig, aber werden in der Praxis natürlich immer weniger Zeit einnehmen. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, dass wir während der Weiterbildung die entsprechenden Kompetenzen und Strategien für nachhaltiges und selbstorganisiertes Lernen vermitteln.

Das brauchen Lernformate

Fassen wir also auf der Basis der Werte und Zielsetzungen noch einmal zusammen, welche Merkmale agile Lernformate auszeichnen:

  • Ein hohes Maß an gleichzeitiger Selbststeuerung und Kooperationsbereitschaft
  • Eine direkte Praxisverbindung zu den Aufgaben und dem Arbeitskontext
  • Flexible Prozesse, die sich nach individuellen Lernzielen richten können
  • Teilnehmerorientierung und Ausrichtung auf persönliche Lernbedürfnisse

Agiles Lernen ist also das ideale Fundament für selbstgesteuertes Lernen.

Über diesen Ansatz – und wie wir ihn fördern können – haben wir erst vor Kurzem im Detail gesprochen. Du kannst >>hier lesen, wie Du die Selbstbestimmtheit beim Lernen fördern kannst.

Auch andere Formate, die sich gut für das agile Lernen eignen, haben wir teilweise schon behandelt:

Nächste Woche werden wir uns die Formate Rotation Days, Lean Coffee und Lunch & Learn einmal im Detail anschauen und besprechen, wo sich diese Ansätze eignen können!

Agile Lernformate können und sollen sehr variabel und fluide sein. Sie können dynamisch umgesetzt werden und erfordern meistens keinen großen (auch finanziellen) Aufwand. Also die ideale Basis, um auch von Unternehmensseite das grüne Licht zu bekommen.

Verschiedene Lernformate können den Ausgangspunkt bilden, um kontinuierlich an die auftretenden Lernbedarfe und -bedürfnisse angepasst und gemeinsam weiterentwickelt zu werden.