Wie anders lernen Erwachsene wirklich?

Lernen in der Schule und Lernen als Erwachsene:r fühlt sich anders an.

Das hat sicherlich viele Gründe, denn natürlich passiert in der Zeit des Aufwachsens eine ganze Menge.

Das liegt aber auch daran, dass die pädagogische Herangehensweise oftmals vollkommen unterschiedlich ist. Es gibt schließlich nicht umsonst den spezifischen Begriff der Erwachsenenbildung.

Denn er impliziert, dass Erwachsene anders lernen und damit andere Lernbedürfnisse haben.

Doch stimmt das eigentlich?

Wie groß sind die Unterschiede wirklich oder hält uns diese Differenzierung vielleicht eher vom Lernerfolg ab?

Lernen Erwachsene wirklich schlechter?

Es ist eine häufig geäußerte Meinung: Erwachsene lernen schlechter und langsamer als Kinder und Jugendliche.

Als Kinder müssen wir innerhalb einer kurzen Zeitspanne sehr viele neue und anspruchsvolle Dinge lernen. Kinder können dabei scheinbar ohne Probleme mehrsprachig aufwachsen und nebenbei noch Lesen, Schreiben und Fahrradfahren erlernen.

Aber warum ist das überhaupt so?

Ein heranwachsender Mensch verändert sich neurologisch einfach noch wesentlich mehr als ein Erwachsener. Alleine die Pubertät krempelt unser Gehirn einmal komplett um. Nach Abschluss der Pubertät befinden wir uns in einem wesentlich stabileren Zustand – was auch bedeutet, dass uns Veränderungen schwerer fallen können.

In den ersten 10 Jahren unseres Lebens lernen wir tatsächlich schneller. Das liegt unter anderem daran, dass das Lernen danach anstrengender wird. Im Kindheitsalter werden bereits viele grobe Verbindungen angelegt und vertieft. Nach dem 10. Lebensjahr legen wir insgesamt wesentlich seltener vollkommen neue Synapsenverbindungen an und das komplexe System unseres Gehirns wird so etwas weniger anpassungsfähig.

Es stimmt also?

Aber es liegt in der Natur des Menschen, sich neue Fähigkeiten anzueignen und sich immer wieder neuen Situationen anpassen zu können.

Denn egal wie alt wir sind, das Lernen verläuft grundsätzlich immer nach demselben Prinzip. Wir verstärken ständig unsere Verbindungen oder bauen ungenutzte ab. Nur legen wir eben weniger neue Synapsen an als zuvor.

Daher behalten wir neue Dinge durch Wiederholung besser und länger, da sich die entsprechenden Synapsen stärker ausbilden. Dinge, die wir nur einmal und dann nie wieder anwenden, kategorisiert das Gehirn einfach als „unwichtig“. Überflüssiges Wissen würde uns nur Speicherplatz auf der Festplatte blockieren.

Als Erwachsene lernen wir also insgesamt nicht unbedingt immer schlechter, aber durchaus etwas anders. Kinder lernen wesentlich beiläufiger und spielerischer. Wir wollen häufig auch den allgemeineren Sinnzusammenhang verstehen und lernen in größeren Schritten. Wir neigen beim Lernen vielleicht manchmal dazu, die Sache etwas zu verkopft anzugehen, anstatt einfach Dinge auszuprobieren.

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es nie zu spät ist, neue Dinge zu lernen. Denn unser Gehirn ist bis zu unserem letzten Tag in der Lage neue Verbindungen anzulegen.

Somit sollte es uns nicht davon abhalten, sich in jedem Alter neue Fähigkeiten anzueignen. Denn im Prinzip passiert im Gehirn eines späten Anfängers genau dasselbe wie bei einem Frühstarter. Mit jeder Übungseinheit verknüpfen sich die jeweiligen Areale des Gehirns stärker.

Die Eigenschaft unseres Gehirns, sich immer wieder neu zu verschalten und anzupassen, nennen Forscher Plastizität. Diese Eigenschaft bleibt uns ein Leben lang – auch wenn das Maß der Anpassungsfähigkeit mit dem Alter ein wenig nachlässt.

Auch wenn wir also als Erwachsene nicht mehr in der Geschwindigkeit eines Kindes lernen, so ist es wichtig, dass wir das Lernen nicht verlernen. Denn da das Gehirn tatsächlich wie ein Muskel ist, baut er ohne das entsprechende Training schnell ab.

Der eigentliche Unterschied

Der eigentliche Grund, wieso es die Differenzierung der Erwachsenenbildung gibt, sind vielmehr die Rahmenbedingungen.

Erwachsene Menschen befinden sich in ganz anderen Lebensumständen als Kinder oder Jugendliche. In den meisten Fällen gehen diese ihrer Schulbildung praktisch hauptberuflich nach. In der Erwachsenenbildung hingegen treffen wir häufig Menschen an, die ihre Weiterbildung zusätzlich zu Beruf und Kindern meistern müssen.

Das Lernen muss für Erwachsene also hauptsächlich flexibler sein.

Zudem befassen sich die Lerninhalte in der Erwachsenenbildung meist mit ganz anderen Themenbereichen. Diese kommen häufig aus wesentlich realeren Kontexten und betreffen uns viel direkter.

Der große Erfahrungsschatz eines Erwachsenen kann in einem Bildungskontext auch zu einem Hindernis werden. Da unsere Meinungen und Wissensbestände oft über viele Jahre gebildet wurden, sind wir manchmal etwas festgefahren.

Erwachsene lassen sich meist nicht gerne belehren. Daher liegt ein produktiver Ansatz für Lernumfelder in der Fort- und Weiterbildung auch eher im sozialen und kollaborativen Lernen.

Doch als Erwachsene scheuen sich viele Menschen vor einer Weiterbildung und der Erfahrung des institutionalisierten Lernens. In der Erwachsenenbildung stoßen wir daher auf ganz andere Lernwiderstände.

Andererseits hat die Erwachsenenbildung auch im anderen Fall oft einen Vorteil: Im Gegensatz zur Schulbildung entscheiden sich Erwachsene in vielen Fällen ganz bewusst und eigenständig zum Lernen.

Diese intrinsische Motivation ist wesentlich wertvoller als die praktisch aufgezwungene Bildung im Rahmen der Schule.

Der Mythos, dass Lernen nicht spielerisch sein darf

Das vielleicht größte Problem der Erwachsenenbildung ist, dass viele Lehrende denken, dass gewisse Methoden sich nicht für sie eignen.

Dabei sind so viele kreative und handlungsorientierte Methoden solche, die auf den ersten Blick „zu spielerisch“ erscheinen.

Aus irgendeinem Grund hält sich bei vielen Bildungsinstitutionen hartnäckig der Mythos, dass Erwachsene beim Lernen keinen Spaß haben dürfen.

Das sind zum Beispiel die Rollenspiele. Auf welche Art würden wohl die meisten Menschen lieber (und vor allem effektiver) etwas lernen?

Eine einstündige Präsentation über Führungsrollen oder einen 15-minütigen Input, der dann von einem praxisorientierten Planspiel inklusive Nachbesprechung praktisch abgeschlossen wird?

Und dennoch scheuen so viele Lehrende Methoden wie Rollenspiele und auch viele Lernende haben im ersten Moment eine ablehnende Reaktion.

Denn wir halten noch viel zu oft daran fest, dass Erwachsenenbildung anders sein muss, seriös und ernsthaft. Alles, was den Begriff „Spiel“ enthält, ist nur für Kinder und höchstens Jugendliche geeignet.

Wir haben jedoch bereits in diesem Artikel darüber gesprochen, aus welchen Gründen junge Menschen manchmal einfacher lernen. Neben den neurologischen Voraussetzungen ist es eben auch die Herangehensweise.

Die Offenheit und das ganz natürliche Ausprobieren, das uns später im Leben so oft fehlt.

Daher können auch kreative Methoden so wichtig sein, denn sie geben uns genau diesen Lernraum. Wir können uns ausprobieren und müssen nichts auswendig lernen oder stumpf rezipieren.

Wenn sich Deine erwachsenen Teilnehmenden vielleicht zunächst auch ein wenig gegen eine Methode sträuben mögen, so lockern sie sich meistens während der Praxis auf.

Denn im Grunde ändern wir uns eben doch nicht.

Wir werden immer besser lernen, wenn wir selbst handeln und erfahren dürfen. Daher liegt es am Ende des Tages auch immer an der Lernbegleitung, die Mythen der Erwachsenenbildung ein wenig zu brechen.

Wie digital ermüdet sind wir in 2024?

Es erscheint mittlerweile beinahe wie eine halbe Ewigkeit her, als Lehrende zum ersten Mal in der Breite zur Umstellung auf digitales Lernen gebracht wurden.

Heute bewegen sich selbst Lernbegleiter:innen auf Online Pfaden, die das vermutlich noch vor wenigen Jahren nicht von sich gedacht hätten.

Mit den umfassenden Entwicklungen von 2020 kamen auch einige neue Phänomene, wie unter anderem die digitale Ermüdung, oder auch „Zoom Fatigue“ getauft.

Denn Lehrende und Lernende merkten gleichermaßen, dass das rein digitale Lernen nicht ganz ohne Nebenwirkungen kam.

Schmerzende Augen, Kopfschmerzen, mangelnde Konzentration, und als Resultat: Fehlender Lernerfolg.

Und schon bald schien digitale Ermüdung wie das neue Volksleiden. Denn schließlich verlagerten sich beinahe alle Gesellschaftsbereiche auf digitale Lösungen.

Wie ist der Stand der Dinge also im Jahr 2024?

Wie sieht’s heute aus?

Nachdem nun einige Jahre vergangen sind, ist der Umgang mit Zoom und verschiedenen Online Tools für viele zur zweiten Natur geworden.

Der kompetentere Umgang und das allgemein höhere Wissen um digitales Lernen haben uns in vielen Bereichen geholfen.

In der ersten Phase hat die Nebenerscheinung der digitalen Ermüdung viele kalt erwischt. Wir wussten zunächst gar nicht, wie gutes Online Lernen überhaupt aussehen kann und die Gestaltung war sicherlich nicht immer ideal.

Mittlerweile kennen Lehrende einige Tricks, um der Müdigkeit und Konzentrationsschwäche vorzubeugen. Auch unsere digitalen Methodenkoffer sind wesentlich besser auf die Anforderungen des Online Lernens zugeschnitten.

Denn der mitunter größte Stolperstein war zu Beginn der Versuch, ein Präsenz Konzept beinahe 1:1 zu übertragen.

Da nun auch viele andere Dinge im Leben wieder in der Präsenz stattfinden, stellt sich die digitale Ermüdung wahrscheinlich nicht mehr so schnell ein, wie etwa zur Hochzeit in 2020.

Trotzdem haben eben so viele Lehrende und Lernende während dieser Zeit auch die digitalen Vorzüge schätzen gelernt und entscheiden sich heute bewusst für Online Formate.

Wenn diese Veranstaltungen etwa ganze Weiterbildungen sind oder selbst längere Sessions vorsehen, ist die digitale Ermüdung nach wie vor ein Faktor.

Wie kommt es dazu?

Wir alle sind es heutzutage gewohnt, tagtäglich von digitalen Geräten umgeben zu sein – sowohl privat als auch oft beruflich.

Trotz dieser Gewöhnung kommt es immer noch dazu, dass wir digital ermüdet werden. Gerade und vor allem, weil sich diese beiden Bereiche immer mehr überschneiden.

Die ständige Erreichbarkeit, die für viele fehlende Work-Life-Balance und der mangelnde Ausgleich zur Digitalität haben Auswirkungen auf Körper und Psyche.

Auch hier können wir zum Glück im Jahr 2024 andere Maßnahmen ergreifen als noch zuvor und viele von uns sind heute wesentlich besser im Gleichgewicht, da es wieder mehr Möglichkeiten zum Ausgleich gibt.

Vielleicht haben wir allerdings auch deshalb ein wenig aufgehört, die Nebenwirkungen des digitalen Lernens so aktiv in den Fokus zu stellen. Dabei wirken die potenziell lernhemmenden Effekte nach wie vor.

Wenn Deine Veranstaltungen primär live, etwa über längere Zoom Sitzungen, stattfinden, wirken auch heute unter anderem diese Faktoren auf uns ein:

  • Wir sehen uns und andere Menschen anders

Das klingt nicht dramatisch, lenkt uns aber tatsächlich häufig ab und lenkt den Fokus weg von unserer Umwelt, also den anderen Teilnehmer:innen, der Lehrperson und den Inhalten.

Hoffentlich kennen heute viele Lehrende und Lernende die Funktion, die Selbstansicht auszuschalten. Dieser kleine Hack kann beispielsweise dabei helfen, dass wir zumindest nicht von uns selbst abgelenkt werden.

Trotzdem sehen wir je nach Ansicht andere Menschen viel aktiver als wir es sonst vielleicht würden. Wir schauen auch auf einen Bildschirm anders, als wir uns in einem Raum umsehen. Dadurch bekommen Augen und Gehirn weniger Pausen, was uns schneller kognitiv ermüdet.

  • Nonverbale Kommunikation ist stark eingeschränkt

Wir strengen uns zwar sehr an den fehlenden Blickkontakt virtuell zu simulieren, doch es hat zugegeben nicht ganz denselben Effekt. Der Mangel an natürlichen nonverbalen Signalen macht unsere Kommunikation auf Dauer anstrengend und auch manchmal ungenau.

  • Die Diskrepanz zwischen der realen und virtuellen Situation

Auch diese Beobachtung mag sehr banal klingen, aber wenn man Experten wie dem Psychologen Prof. Dr. Johannes Moskaliuk Glauben schenkt, beeinflusst es uns mehr, als wir denken.

Insbesondere dieser Aspekt scheint sich auf Dauer negativ auf unsere mentale Verfassung auszuwirken. Da wir uns physisch in einem Raum befinden und geistig ständig in einer virtuellen Sphäre agieren, ermüden wir schneller. Und Ermüdung führt in einem Lernkontext früher oder später zu Demotivation.

Was können wir tun?

Der beste Weg ist, als Lernbegleiter:in der digitalen Ermüdung von Beginn an bewusst vorzubeugen. So entsteht im Idealfall erst gar nicht das Problem der Konzentrationsschwäche. Hier sind einige Tipps, wie Du Deine Teilnehmenden auch Online mental bei der Stange hältst:

1. Vielfalt bei Methoden und Medien

Der wichtigste Leitsatz ist wohl, dass wir Online noch mehr Variation brauchen als in Präsenz. Je mehr Abwechslung man den Lernenden bieten kann, desto weniger bemerken sie die Grenzen des Online-Modus.

Am effektivsten hält man die Konzentration der Teilnehmer:innen hoch, indem man ihnen eine breite Vielfalt an Medien und Formaten bietet. Eine bunte Mischung aus Videos, Texten, Bildern und verschiedenen Arbeitsphasen garantiert, dass die Lernenden Dir nicht wegschlafen.

Zudem kannst Du immer von den eingebauten Tools der jeweiligen Plattform Gebrauch machen – streue zwischendurch immer mal wieder Arbeitsaufträge ein, die Deine Teilnehmer:innen aktivieren, wie etwa eine kurze Umfrage.

Wenn Du gleichzeitig noch Wege findest, wie Du haptische oder andere sinnliche Reize abseits des Bildschirms – etwa Stift und Papier – einbinden kannst, gibst Du den Lernenden eine zusätzliche Pause von der Digitalität.

Also insgesamt immer weniger Webinar, mehr Online-Seminar.

2. Microlearning

Das Prinzip des >>Microlearnings lässt sich so zusammenfassen: Halte die einzelnen Lerneinheiten so kurz wie möglich.

Es ist bekannt, dass ausgedehnter und komplizierter Input die Teilnehmer:innen nicht lange fesselt – im Online-Seminar ist die Aufmerksamkeitsspanne sogar noch wesentlich kürzer. Wenn Du also insbesondere komplexe Themengebiete in inhaltlich sinnvolle Teileinheiten aufbrichst, kannst Du die Motivation länger hoch halten.

Zusätzlich lassen sich kleine Häppchen leichter verdauen, wodurch auch eine langfristige Transfersicherung des neuen Wissens erleichtert wird.

Was ist der Präsenz vielleicht ein Tagesseminar ist, sollte in einer digitalen Lösung minimal auf zwei Tage aufgeteilt werden.

3. Gamification

Das Gamification-Prinzip zielt immer auf den natürlichen Spieltrieb des Menschen ab – und diesen haben auch Erwachsene!

Wann immer Du die Möglichkeit hast, einen Inhalt auf eine praktische und spielerische Art zu vermitteln, solltest Du diese ergreifen. Denn ein Spiel zeichnet sich durch Unterhaltsamkeit aus und wenn wir ein Lernerlebnis mit diesem positiven Gefühl verknüpfen können, bleibt das Gelernte besser haften.

Gamification eignet sich daher auch sehr gut für die Transfersicherung. So kannst Du die jeweiligen Inhalte beispielsweise mit Hilfe eines Quiz abfragen und eventuell mit einem kleinen Belohnungssystem einen zusätzlichen Anreiz schaffen.

Trotz der besten Planung kann es aber natürlich passieren, dass Du bemerkst wie die Konzentrationsfähigkeit Deiner Teilnehmenden schwindet. Mit Hilfe des letzten Tipps kannst Du in einer solchen Situation gegensteuern:

4. Flexibel bleiben

Grundsätzlich gilt beim Online-Seminar: Flexibilität zahlt sich aus!

Wenn die Motivation der Lernenden spürbar abflaut, ist es Zeit für einen Richtungswechsel. Auch die Taktung der Pausen kannst Du flexibel an die aktuelle Konzentrationskurve anpassen und auf diese Weise auf die Stimmung der Lerngruppe reagieren.

Es bietet sich auch immer an, bei längeren Seminaren regelmäßig Energizer einzustreuen – insbesondere solche, die mit etwas körperlicher Bewegung zu tun haben. So können alle für kurze Zeit die Augen vom Bildschirm nehmen und der mentalen Verfassung einen Frischekick geben.

Die Aufgaben von Online-Lehrenden liegen auch durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion: Erinnere Deine Teilnehmer:innen ruhig regelmäßig durch gutes Beispiel daran, dass sie Zuhause etwas frische Luft reinlassen, sich strecken oder ein Glas Wasser trinken.