An den meisten Tagen lieben Vollblut-Pädagogen ihren Job und verkörpern den Lernbegleiter mit ehrlichem Enthusiasmus.
Aber Trainer und Dozenten sind auch nur Menschen – manchmal haben sie schlechte Laune oder sogar einfach mal keine Lust. Vielleicht sind sie auch zeitweise unsicher oder nervös.
Wie kann man es dann vermeiden, dass die Dozentenpersönlichkeit zu einer unglaubwürdigen Fassade wird?
Eine Lösung kann in der Schauspielkunst liegen.
Schauspieler sind per Definition keine Lügner. Sie verkörpern eine Rolle, indem sie in dem Moment ganz und gar zu der Person werden.
Was wäre also, wenn wir in manchen Momenten praktisch die Rolle des Dozenten verkörpern – selbst wenn uns nicht danach ist.
Streng genommen müssen wir dann nicht lügen, sondern nur schauspielern.
Sind Dozenten nicht ohnehin Schauspieler?
Auch ohne explizites Schauspiel-Training teilen Dozenten einige Parallelen mit Schauspielern.
Der Trainer steht vorne auf der „Bühne“ und hat die Aufgabe, die Zuhörer mit seiner Darbietung zu fesseln. Das ist sicherlich auch eine der größten Herausforderungen für Lehrende: der Kampf mit der Aufmerksamkeitskurve.
Wenn wir einer Theatervorführung folgen müssten, die lediglich aus einer Abfolge von langen, eintönigen Monologen besteht, würde uns das wohl auch nicht lange fesseln. Dagegen ist ein Musical, das auch wechselnden Kulissen, bunten Kostümen und animierender Musik besteht, eine wahre Anregung für all unsere Sinne und die Zeit vergeht wie im Flug.
Wenn man das Dozieren also als eine Form des performativen Akts begreift, kann man auch daraus Tipps für das eigene Seminar gewinnen. Manchmal sind wir wohl so auf den Transport eines reinen Informationsgehaltes fokussiert, dass wir dabei die Show vergessen.
Die fesselndsten Präsentationen – also die, die uns am meisten im Gedächtnis bleiben – sind immer diejenigen, die uns emotional angesprochen haben. Wir können noch so viele Diagramme, stichhaltige Fakten und Zahlen vorbereiten – am Ende des Vortrages hat diese wohl kaum ein Zuhörer behalten. Und das ist auch gar nicht nötig, denn Fakten kann man jederzeit nachlesen.
Alle Inhalte einer Präsentation dienen stets nur dem übergeordneten Zweck der Veranschaulichung. Das Ziel ist, den Zuhörern mit Worten ein Bild zu malen. Auch in diesem Sinne ist ein Vortrag oder ein Seminar wohl gar nicht so sehr von einer Theater-Aufführung zu unterscheiden.
Auch Lernende wollen unterhalten werden – und nicht qualvoll die Minuten bis zum Ende des Seminars zählen. Wenn wir beim Lernen Spaß haben und nicht nur unsere grauen Zellen, sondern auch unsere Emotionen angesprochen werden, dann lernen wir schneller und behalten auch besser.
Das heißt natürlich keineswegs das jeder Dozent ein geborener Entertainer sein muss. Es gibt sicherlich auch das andere Extrem. Es kann auch nicht das Ziel einer Bildungsveranstaltung sein, die Information vollständig der kreativen Gestaltung unterzuordnen. Aber etwas mehr Lebendigkeit schadet wohl den meisten Seminaren nicht.
Wenn uns mal nicht nach Lehren zu Mute ist
Wenn wir nun einmal einen solchen Tag erwischen, an dem wir den Pädagogen nicht aus vollem Herzen verkörpern können, können wir den Lernenden schnell ungewollt negative Signale senden. Aber solche Tage zu haben, ist nur menschlich.
Wenn man den Ansatz verfolgt, dass man vorübergehend die Rolle des Dozenten einnimmt, kann dies als Brücke durch schwierige Tage helfen.
Und diese Rolle ist schließlich eine, auf die wir uns seit vielen Jahren vorbereiten und sie intensiv studiert haben – es sollte also kein Problem sein, einen überzeugenden Trainer zu mimen. Eine überzeugende Verkörperung entsteht meistens durch Identifikation. Da wir uns mit der Trainerpersönlichkeit sowieso ganz ehrlich identifizieren, ist das also ein Heimspiel.
Von Schauspielern wird für gewöhnlich verlangt, dass sie vollkommen in einer Rolle aufgehen und die Handlungsweisen und innere Verfassung der Figur glaubwürdig darstellen. Zu diesem Zweck müssen sie die eigenen mentalen und emotionalen Verfassungen beherrschen und kurzfristig überspielen können.
Dabei ist kurzfristig das entscheidende Stichwort – natürlich ist dies nur eine vorübergehende Lösung und eine Hilfe für anstrengende Tage.
Schauspielunterricht kann ganz konkrete Vorteile bieten!
Doch die Schauspielerei hat noch weitere positive Nebeneffekte für Lehrende.
Insbesondere Theater-Schauspieler arbeiten viel mit ihrer Stimme und Atmung. Da vor allem unsere Stimme in einem Seminar viele Informationen und auch Emotionen transportiert, kann die bessere Ausbildung einer klaren, positiven Stimmfarbe den Inhalten unterstützend dienen.
Zudem möchten wir als Trainer natürlich kompetent und sicher auftreten, um den Lernenden ein gutes Gefühl zu vermitteln. Auch Fernseh- und Radiomoderatoren nutzen häufig Stimmtraining und gerade in Online-Seminaren findet sich der Dozent schließlich häufig in der Rolle des Moderators.
Hinzu kommt die Tatsache, dass wir trotz aller Vorbereitung und hochwertigem Equipment über Online-Kanäle einfach eine andere Tonqualität antreffen. Unsere Stimme wird über Lautsprecher eventuell schlechter transportiert, daher kann auch hier eine deutlichere Artikulation und Stimmqualität einen positiven Effekt haben.
Vor allem unter Anspannung neigen wir dazu, in eine höhere Stimmlage zu verfallen. Diese klingt nicht nur unnatürlich, sondern strengt unsere Stimmbänder auch wesentlich mehr an. Daher ist die sogenannte Indifferenzlage das Ziel von Profis auf diesem Gebiet: diese strengt unsere Stimme weniger an und wir können länger und lauter sprechen – gerade für ganztägige Seminare wohl durchaus von Vorteil.
Eine einfache Übung, um die eigene Indifferenzlage zu finden, ist folgende:
Man stelle sich vor, man ist am Telefon mit einer Person verbunden, die einfach ohne Punkt und Komma redet. Uns selbst bleibt daher keine andere Möglichkeit, als deren Erzählungen immer wieder mit einem eventuell leicht gelangweilten „Mh mh mh“ zu kommentieren.
Und da ist sie auch schon – unsere persönliche Indifferenzlage, die wir idealerweise in Präsentationen und Moderationen nutzen sollten.
Denn unser Körper ist im Prinzip wie ein Instrument – und wenn unser (Klang)körper angespannt ist, kann die Musik nicht richtig fließen. Daher können auch Lockerungsübungen helfen, unsere Resonanzräume frei zu machen.
Es gibt verschiedene Übungen, die Anspannungen in uns lösen können. Hier sind einmal drei kleine Beispiele, die sich schnell in jeden Lehralltag einbauen lassen und mit Sofort-Effekt Spannungen im Körper abbauen können.
1. Schulterzucken
Diese Übung besteht aus zwei einfachen Schritten, die ein paar Mal wiederholt werden sollten.
Zunächst zieht man die Schultern hoch in Richtung Ohren und hält sie dort für einige Sekunden.
Anschließend lässt man sie langsam und bewusst wieder sinken und atmet dabei aus.
2. Ausklopfen
Auch diese Übung lockert den Körper und entspannt gleichzeitig auch kurz den Geist.
Man klopft den Körper mit den Handinnenflächen ab.
Angefangen bei den Schultern, über die Arme, weiter über den Bauch und die Beine bis hinunter zu den Füßen. Anschließend nimmt man den Rückweg über die Füße in Richtung Gesäß und landet über den Rücken wieder in der Ausgangsposition.
Eine Wiederholung wird hier empfohlen.
3. Die Korken-Übung
Diese Übung kommt aus dem Stimmtraining und fühlt sich anfangs vielleicht etwas seltsam an, ist aber sehr effektiv.
Normalerweise braucht man wie der Name bereits verrät für diese Übung einen Korken, aber es reicht auch der eigene Daumen. Dieser kann sich sogar besser eignen, da man so sehr schnell schmerzhaft erfährt, wann man die Kiefermuskeln doch zu stark anstrengt.
Zunächst sagt man einmal einen Satz, vielleicht etwas wie „Hallo, mein Name ist … und ich begrüße Sie herzlich zu diesem Seminar“, oder eine andere Willkommensfloskel, die man häufig verwendet.
Mit dem Korken oder Daumen im Mund wiederholt man anschließend diesen Satz.
Zu guter Letzt entfernt man den Gegenstand wieder aus dem Mund und wiederholt den Satz erneut.
Man sollte sofort ein Ergebnis feststellen und eventuell fällt einem auf, wie verkrampft Mund und Kiefer im normalen Zustand beim Sprechen sind. Durch eine solche Übung wird der Kiefer gelockert und der Weg frei für eine besonders klare Artikulation.
Ein klein wenig mehr Show ist erlaubt
Insgesamt lassen sich also mehr Gemeinsamkeiten zwischen Trainern und Schauspielern finden als man vielleicht denken würde.
Da wir als Ausbilder häufig auf die Vermittlung von Informationen spezialisiert sind, kann dabei manchmal der Unterhaltungsfaktor in den Hintergrund geraten. Dabei wollen wir doch am Ende nicht nur die Köpfe der Lernenden anzapfen, sondern sie wirklich erreichen.
Die Schauspielerei als Hobby aufzunehmen, kann also tatsächlich auch dem Dozentenberuf dienlich sein. Dabei ist die Devise natürlich nicht, während eines Seminars ein wortwörtliches Feuerwerk abzubrennen. Aber Lernen darf immer auch Spaß machen.
Unsere eigene Stimme als Werkzeug beachten wir dabei meist viel zu wenig. Die Korrelation zwischen Körper und Stimme wird ebenfalls häufig unterschätzt – dabei beeinflusst praktisch die kleinste Verspannung den Klang unserer Stimme. Daher können Lockerungsübungen auf Dauer wirklich eine spürbare Verbesserung der Stimmqualität bewirken.
Alternativ bieten sich solche und ähnliche kleinen Übungen übrigens auch als Energizer in Online-Seminaren an. Etwas körperliche Betätigung und Ablenkung unterbricht kurz den Informationsfluss und macht alle Beteiligten wieder wach.
Ein Gedanke zu „Dozenten und Schauspieler – mehr Gemeinsamkeiten als vermutet“