Hast Du schon einmal von Lernen am Modell gehört?
Selbst wenn Dir der Begriff nicht bekannt ist, wird Dir das Konzept schnell einleuchten und sicherlich aus dem Leben bekannt vorkommen.
Denn ganz einfach heruntergebrochen handelt es sich hierbei um das Lernen durch Nachahmung. Ja, also genau wie Kinder von ihren Eltern lernen.
Doch das Modell ist nicht nur auf die Kindererziehung anwendbar, auch wir Erwachsene lernen ständig noch auf diese Art und Weise. Hast Du Dir beispielsweise jemals ein YouTube-Video angeschaut, vielleicht sogar mehrmals, und dann versucht das Gezeigte selbst umzusetzen?
Was genau sind die Hintergründe von Lernen am Modell und wie können wir die Prinzipien in der Weiterbildung nutzen?
So funktioniert Lernen am Modell
Der Ansatz wurde von Albert Bandura entwickelt und ist in seinen Grundsätzen zwar sehr einleuchtend, geht aber noch weiter als zunächst offensichtlich.
Alternativ wird Lernen am Modell auch als Modelllernen, Nachahmungslernen, Imitationslernen oder Beobachtungslernen bezeichnet. Auch der Begriff „sozial-kognitive Lerntheorie“ bezieht sich im Prinzip auf diesen einen Ansatz.
Wir beschäftigen uns mit dieser Lerntheorie, da sie in ihrer Ausrichtung sehr auf Handlung abzielt. Denn Lernen am Modell beschreibt, wie jemand sich eine neue Verhaltensweise durch Beobachtung und anschließende Nachahmung aneignet:
Diese grafische Darstellung zeigt, dass die Lerntheorie hinter Lernen am Modell eventuell ein wenig komplexer ist, als zunächst gedacht. Denn es wird bei der Beobachtung ein weiterer entscheidender Faktor einbezogen:
Wir beobachten nämlich nicht nur das Verhalten selbst, sondern auch die Konsequenzen und Auswirkungen verschiedener Verhaltensweisen des Modells. Außerdem unterscheiden wir zwischen Aspekten und Fähigkeiten, die uns bereits bekannt sind und solchen, die uns vollkommen neu sind.
Der Entwickler Albert Bandura selbst unterscheidet außerdem zwei übergeordnete Phasen:
- Die Aneignungsphase (Akquisition)
- Die Ausführungsphase (Performance)
Dabei beinhaltet die Aneignungsphase die untergeordneten Phasen der bewussten Aufmerksamkeitszuwendung (Attention) und des anschließenden Behaltens (Retention) des beobachteten Verhaltens.
Die Ausführungsphase lässt sich ebenfalls noch einmal in eine motorische Reproduktionsphase (Reproduction) und eine anschließende Verstärkung (Motivation) aufgliedern. Diese Verstärkung kann dabei sowohl von innen als auch durch äußere Faktoren ausgelöst werden.
Der Übergang zwischen der Aneignung und der Ausführung ist hier sicherlich ein großer Knackpunkt und wird von seinen ganz eigenen Herausforderungen begleitet.
Wie entstehen Lerneffekte?
Es gibt vier verschiedene Lerneffekte, die sich nach der Lerntheorie des Modelllernens einstellen können. Denn interessanterweise lernen wir in den allermeisten Fällen nicht unbedingt vollkommen neues Verhalten.
Tatsächlich beobachten wir in der Realität noch viel häufiger die Konsequenzen und Auswirkungen von bekanntem Verhalten und passen unser eigenes Handeln entsprechend an:
- Modellierender Effekt
Du lernst durch Beobachtung eine völlig neue Verhaltensweise oder Fähigkeit.
- Enthemmender Effekt
Das Verhalten ist Dir bereits bekannt aber durch die Beobachtung von „Erfolg“ sinkt die Hemmschwelle es auch auszuführen. Wenn Du also bereits Fahrrad fahren kannst, aber jemanden regelmäßig dabei beobachtest, kann es motivieren auch selbst wieder öfter zu fahren.
- Hemmender Effekt
Das Verhalten ist Dir bekannt, aber Du beobachtest bei einem Modell negative Auswirken, wodurch Du es auch selbst weniger wahrscheinlich ausführen möchtest. Wenn sich also jemand bei einer bestimmten sportlichen Aktivität schwer verletzt, kann es Dich davon abhalten, Dich dieser mehr zu widmen.
- Auslösender Effekt
Das Verhalten ist bereits bekannt, wird aber erst durch soziale Interaktion oder Situationen ausgelöst. Unter Umständen kann dies auch durch eine Art „Gruppenzwang“ passieren.
Die zwei Akteure
Für diesen Lernansatz braucht es offensichtlich zwei „Spieler:innen“: Den/Die Beobachter:in auf der einen Seite und das Modell auf der anderen.
Das Modell muss dabei nicht unbedingt eine reale Person sein, es kann sich auch um Figuren aus (fiktiven) Geschichten oder Medieninhalten handeln. Wichtig ist für ein Modell nur, dass sich die Beobachter:innen auf eine Weise mit ihm identifizieren können.
Denn meistens entsteht auf diese Weise der Wunsch, ein Verhalten nachzuahmen oder eine Fähigkeit zu erlernen. Daher sind Modelle oder Leitbilder häufig auch Personen, die sich durch eine Form von Autorität, Macht, Status oder Attraktivität auszeichnen.
Der eigentliche Lernerfolg hängt dann grundsätzlich von zwei Faktoren ab:
- Das Gefälle zwischen dem eigenen Kenntnisstand und dem beobachteten Verhalten: Wie groß ist der Unterschied bzw. wie weit der Weg?
- Die Häufigkeit, mit der wir ein Verhalten beobachten: Je häufiger und diverser wir Verhalten beobachten, desto eher werden wir es auch umsetzen (können)
Das richtige Vorbild wählen?
Was passiert eigentlich, wenn wir uns aus Versehen ein Modell aussuchen, das das zu lernende Verhalten selbst nur eingeschränkt beherrscht?
Das könnte eine eventuelle Schwachstelle eines solchen Ansatzes sein, denn es birgt immer die Gefahr, dass wir auch unwissentlich „schlechte“ Verhaltensweisen nachahmen.
Einleitend haben wir zum Beispiel YouTube als Beispiel genannt. Es gibt Millionen von Video-Tutorials von Menschen, die unter Umständen gar keine Expert:innen auf dem jeweiligen Gebiet sind.
In den meisten Fällen ist das vermutlich unproblematisch, aber es wirft eine grundsätzliche Frage bezüglich der Theorie auf.
Gerade im Internet kann es sogar auch passieren, dass wir die eigentlichen Konsequenzen von Verhaltensweisen überhaupt nicht beobachten können. Da wir meistens nur sehr kalkulierte Ausschnitte aus dem Leben anderer Menschen sehen, können uns hier wichtige Informationen fehlen.
Sind Lehrende immer auch ein Modell?
Als Lernbegleiter:innen erfüllen wir in gewisser Weise immer eine Vorbildfunktion, vor allem was Lernfähigkeit und auch Lernstrategien angeht.
Aber auch die Umsetzung oder Implementierung der Inhalte können wir ständig in einer Modell-Funktion aufzeigen.
Wir möchten das hier betonen, weil wir in vielen Fällen gar nicht daran denken, was wir unseren Lernenden so alles implizit mitgeben. Unsere Verhaltensweisen im Seminar können ein Modell für Teilnehmende sein.
Daher ist es auch so wichtig, dass wir selbst Lernbereitschaft und Kritikfähigkeit vorleben, wenn wir sie auch bei unseren Lernenden sehen möchten.
Denn gerade die enthemmenden Effekte des Modelllernens finden in der Praxis vermutlich mit am häufigsten statt. Wenn Deine Lernenden also ein Verhalten wie das lebenslange Lernen und seine positiven Auswirkungen bei Dir sehen, werden sie sich viel eher selbst auch so verhalten.
Wir haben unter anderem auch den Vorteil, dass wir ein aktiv involviertes Modell sein können. Denn in vielen Beispielen des Lernens am Modell findet überhaupt keine Interaktion mit dem Vorbild statt.
Wir können hingegen zusätzlich noch aktiver unterstützen, vor allem wenn beim schwierigen Übergang zwischen Beobachtung und Umsetzung Hindernisse auftreten!