Durchschnittliche Erwachsene haben eine Menge, um das sie sich tagtäglich kümmern müssen.
Beruf, Familie, Freunde, Haushalt, Kinder – was auch immer wir jonglieren müssen, belegt Speicherplatz und erfordert Organisation im Kopf.
Denn all diese großen und kleinen Dinge nehmen Platz in unserem Gehirn ein. Selbst wenn diese Dinge sich nur im Hinterkopf befinden, belegen sie Speicherplatz.
Als Weiterbildner:in kannst Du also getrost davon ausgehen, dass der Arbeitsspeicher Deiner Teilnehmer:innen schon gut ausgelastet ist.
Und jetzt kommen wir noch mit Lerninhalten dazu und verlangen Aufmerksamkeit und Konzentration.
Da Du in der Erwachsenenbildung häufig mit Menschen zu tun hast, die sich mit Deinen Lerninhalten als zusätzliche Aufgabe auseinandersetzen, solltest Du es ihnen den Zugang so einfach wie möglich machen.
Wie gehen wir mit Lernenden um, deren Konzentrationsfähigkeit eventuell beeinträchtigt ist und wie reduzierst Du die kognitive Belastung in einem Lernprozess?
Cognitive Load im Lernprozess
Jeder kennt das Gefühl, sich überfordert oder überarbeitet zu fühlen. Wenn wir einmal in diesem Modus sind, können wir kaum noch neue Informationen aufnehmen oder verarbeiten.
Das ist für Pädagog:innen natürlich keine gute Grundlage für Lernerlebnisse, die kreatives und produktives Denken erfordern.
In der Psychologie gibt es einen Begriff, der die mentale und kognitive Anstrengung eines Lernprozesses beschreibt: Cognitive Load.
Also wörtlich übertragen die kognitive Kapazität, die ein Lernprozess erfordert.
Wir alle haben nur begrenzte kognitive Ressourcen – daher leuchtet es natürlich ein, dass wir den Cognitive Load für unsere Teilnehmer:innen möglichst gering halten möchten.
Denn wenn wir eben davon ausgehen, dass der Arbeitsspeicher unserer Lernenden ohnehin schon gut belegt ist, müssen wir mit den verbleibenden Kapazitäten effizient haushalten.
Ein Lernprozess kann laut der Cognitive Load Theorie drei verschiedene Arten der Belastung hervorrufen:
1. Intrinsischer Load
Diese Auslastung kommt von innen und beschreibt vor allem die Beziehung zu den Lerninhalten.
Das bedeutet: Dieser Load kann sehr individuell ausfallen. Denn wie hoch der intrinsische Load ist, hängt vor allem vom Vorwissen und Erfahrungsstand der jeweiligen Lernenden ab. Auch die bevorzugte Lernform kann hier einen Einfluss nehmen.
Je größer das Vorwissen, desto geringer der intrinsische Load. Denn hier müssen die Lernenden weniger Energie in die allgemeine Erschließung eines Themas investieren.
Der intrinsische Load kann sich dementsprechend auch lernhemmend auswirken, wenn dieser Faktor zu groß wird.
- Du musst den intrinsischen Load einschätzen und dementsprechend planen/reagieren, damit dieser Faktor nicht zum Lernhindernis wird
- Besonders bei wenig Vorwissen und komplexeren Sachverhalten müssen Basics gleich zu Beginn ganz klar sein
2. Extrinsischer Load
Diese Belastung liegt in den Rahmenbedingungen und der Gestaltung bzw. Präsentation der Inhalte.
Heißt auch: Hier kannst Du bei der Seminarplanung besonders viel positiven Einfluss nehmen.
Die Lernform oder der Modus kann hier ebenfalls für einzelne Lernende eine Rolle spielen und sich gegebenenfalls lernhemmend auswirken.
- Durch anschauliche Gestaltungsformen und teilnehmerorientierte Methoden kannst Du hier dafür sorgen, dass die Inhalte leichter greifbar werden
- Äußere Faktoren sollen so gut wie möglich kontrolliert werden, damit sie nicht von den Inhalten ablenken
3. Germaner Load
Der germane Load ist die positive Anstrengung eines Lernprozesses, die dann auch zum Lernerfolg führt.
Je größer der germane Load ausfällt, desto besser läuft das Lernen. Daher löst sich dieser Load am Ende eher in ein lohnenswertes Gefühl auf.
Der germane Load bezeichnet den kognitiven Aufwand, um Abläufe zu verstehen und Zusammenhänge herzustellen.
Hierfür müssen die Teilnehmer:innen natürlich aktiv mit den Lerninhalten arbeiten, selbstständig denken und Probleme im Lernprozess lösen.
Um diese Form der Auslastung kommen wir in einem Lernprozess also nicht herum und das sollen wir auch gar nicht: Die Faktoren des germanen Loads wollen wir immer positiv verstärken!
Fazit – Wie können wir helfen?
Da wir das jetzt alles wissen, kommt natürlich die logische Frage:
Wie können wir die Lernhindernisse vermindern und die lernförderlichen Aspekte verstärken?
Kognitive Belastung ist nicht gleich kognitive Belastung.
Lernen wird immer mit einer gewissen Form von mentaler Anstrengung einhergehen, denn den wertvollen Lernerfolg müssen wir uns selbst erarbeiten.
Aber: Es gibt Arten der Auslastung, die in einem Lernprozess nur unnötig Raum einnehmen!
Wir müssen also dafür Sorge tragen, dass wir die unnötig belastenden Faktoren so gut wie möglich ausklammern, um uns in der Lerngruppe auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Nutzen
Oftmals sind Weiterbildungen von Unternehmen oder Arbeitgeber:innen vorgegeben. Das schafft nicht gerade ideale Voraussetzungen für die Motivation.
Reduziere die Lerninhalte daher wirklich auf die Dinge, die einen praktischen Nutzen haben und somit eine greifbare Verbesserung bewirken werden!
Planung und Gestaltung
Um den intrinsischen und extrinsischen Load zu verringern, müssen wir bei der Präsentation der Inhalte für einen sinnvollen Ablauf und intuitive Darstellung sorgen.
Auch hier gilt: Unnötige Spielereien und inhaltliche Exkurse sollten meist vermieden werden, folge grundsätzlich einem deutlich erkennbaren roten Faden!
Wenn Du zusätzliche Materialien wie Videos einsetzt, sollten sie wirklich direkt mit den Inhalten zusammenhängen.
Gestalte Deine Unterlagen zwar ansprechend, aber vor allem inhaltlich deutlich und leicht zugänglich.
Hier bieten sich auch Konzepte wie etwa Microlearning besonders an.
So werden Lernende nicht mit zu großen Wissensbereichen zu einer Zeit überfordert und können sich die Inhalte häppchenweise erschließen.
Erfahrungsstand
Berücksichtige das Vorwissen deiner Teilnehmer:innen – in beide Richtungen.
Denn wenn nur wenig Vorwissen besteht, wird der intrinsische Load schnell zu groß und Lernende steigen mental aus.
Ist das Vorwissen zu groß, langweilen sie sich schnell. Wenn Du also mit einer erfahrenen Lerngruppe zu tun hast, streiche unnötige Basics lieber aus der Präsentation und steige direkt mit einer interessanten Story ein.
In beiden Fällen förderst Du damit, dass die Lernenden ihre Kapazitäten tatsächlich auf den germanen Load verwenden können.
Abschließend sei gesagt, dass Du die Belastung Deiner Teilnehmer:innen immer am besten einschätzen kannst, wenn Du direkt mit ihnen kommunizierst.
So findest Du heraus, wie sie auf die Methoden und Lernformen ansprechen und ob ihr in- oder extrinsischer Load eventuell zu einem Lernhindernis wird.