Es ist die erste Sitzung und eine Lehrperson kündigt an: „Jetzt lernen wir uns erst einmal ein bisschen kennen!“
Die Reaktionen reichen normalerweise von Zurückhaltung bis hin zu vorsichtiger Ablehnung.
Denn irgendwie verbinden wir diese erste Kennenlern-Runde mit seltsamen Spielchen und dieser anfänglichen komischen Atmosphäre in einer unbekannten Gruppe.
Und bis zu einem gewissen Punkt ist dieses Gefühl auch normal, schließlich müssen sich alle ein wenig einfinden und in der Gruppe eingewöhnen.
Es sollte auf jeden Fall keine Ausrede sein, um diesen Einstieg aus dem Programm zu streichen, denn das Kennenlernen erfüllt tatsächlich einige Zwecke.
Welche das sein können und wie wir das obligatorische Kennenlernen methodisch gestalten können, schauen wir uns heute genauer an:
Wieso die Zeit nehmen?
Es soll immer noch Lernbegleiter:innen geben, die das Kennenlernen gerne einmal ausfallen lassen.
Insbesondere in Online-Formaten, wenn die Seminarzeit durchaus knapp werden kann. Dabei ist es gerade in digitalen Räumen unheimlich wichtig.
Denn schließlich entsteht hier noch viel eher ein Distanz-Gefühl und gleichzeitig naturgemäß weniger Möglichkeiten zur informellen Kommunikation. Daher müssen wir hier der Gruppendynamik noch bewusster auf die Sprünge helfen.
Diese ist immer wichtig, wenn wir sozial und teilnehmerorientiert lernen wollen. Daher ist eine Kennenlern-Runde immer eine gute erste Gelegenheit, um die Gruppe anzustoßen.
Habe dabei keine Angst vor dem Begriff „Kennenlern-Spiel“. Spiel ist nur ein Begriff, der häufig kreative Methoden beschreibt und auf keinen Fall nur für Kinder gedacht ist. Gerade Spiele sind oftmals sehr handlungsorientiert und binden die Lernenden – allen Alters – sehr aktiv ein.
Hier sind daher noch zwei weitere allgemeine Tipps, die Du zusätzlich zur jeweiligen Methode bedenken kannst:
- Verbinde das Kennenlernen direkt mit der Einbindung einer Gruppe zum Austausch, beispielsweise über einen Messenger-Dienst. So können die Lernenden dieses soziale Momentum direkt nutzen und weiter ausbauen
- Schließe Dich selbst nicht vom Kennenlernen aus, sondern nimm‘ aktiv teil. Die Teilnehmenden sollen und wollen schließlich auch Dich kennenlernen und mehr über Dich erfahren
Methode 1: Speed Dating
Im Prinzip sind Kennenlern-Runden ja ohnehin schon eine Art Speed Dating. Unter diesem offiziellen Titel lockert es die Gruppe sicherlich gleich einmal ein wenig auf.
Natürlich geht es hierbei aber nicht darum, Partner:innen zu finden oder besonders persönliche Fragen zu stellen. Es sei auch gesagt, dass sich bei dieser Methode nicht alle Teilnehmenden gleich gut kennenlernen werden.
Sie dient eher dazu, ein paar Gespräche zu beginnen und aufzulockern. Sie geht schnell und bringt auch noch ein wenig Bewegung in den Raum, so kommt keine Langeweile auf.
So geht’s:
Die Gruppe stellt sich in einem Innen- und einem Außenkreis gegenüber auf, gegebenenfalls können auch zwei Stuhlkreise gebildet werden.
Dann starten 60 Sekunden und die sich gegenüberstehenden Teilnehmenden können sich unterhalten. Nach Ablauf der Zeit rotieren die Lernenden im Außenkreis einen Platz, während der Innenkreis stehen/sitzen bleibt.
Nach ungefähr 4 oder 5 Rotationen sollte die Methode auch beendet werden.
Diese Methode im Speziellen ist natürlich eher eine klassische Präsenz-Methode, da sie sich Online nicht so leicht in dieser Form abbilden lässt.
Methode 2: Bilder Kiosk
Diese gewissermaßen sehr moderne Methode baut darauf auf, dass die meisten Teilnehmenden wohl mittlerweile ein Smartphone bei sich tragen.
Auf diesem befinden sich ganz sicher auch eine Menge Bilder oder es kann von dort auf diese zugegriffen werden. Bilder sind eine tolle visuelle Art, um andere Menschen kennenzulernen und es gibt einen Einblick darin, was ihnen im Leben so wichtig ist.
Dieser Einblick bleibt dabei genauso persönlich oder allgemein, wie es die Teilnehmenden selbst wünschen. Denn sie behalten die Kontrolle darüber, was sie der Gruppe zeigen und preisgeben möchten.
Außerdem verhalten sich Menschen meistens sehr natürlich, wenn sie einfach ein Bild zeigen und ungezwungen darüber sprechen können.
So geht’s:
Der Reihe nach zeigt jede:r Teilnehmende zwei ausgesuchte Bilder aus seiner/ihrer Bildersammlung. Worum es sich dabei handelt, ist vollkommen den Lernenden überlassen. Ob Familie, die Haustiere, Hobbies oder Urlaubsfotos.
Maximal zwei Sätze können jedes Bild abrunden und so bekommt die Gruppe schnell einen persönlichen Überblick über die einzelnen Mitglieder und entdeckt sicherlich auch bereits ein paar Gemeinsamkeiten.
Diese Methode lässt sich natürlich ebenfalls besonders gut Online umsetzen. Hier können die Bilder alternativ auch nicht nur gezeigt, sondern zum Beispiel auf ein Whiteboard als Gruppen-Collage hochgeladen werden.
Methode 3: Kartographieren
Diese Methode ist ebenfalls sowohl in der Präsenz als auch Online einsetzbar. Man benötigt im Prinzip nur eine Weltkarte, beziehungsweise ein digitales Bild oder ein entsprechendes Online-Tool.
Gerade in sehr heterogenen oder multikulturellen Gruppen ist eine solche Kennenlern-Runde ein schöner Türöffner für interessante Gespräche. Aber auch in eher homogenen Lerngruppen kommen am Ende garantiert überraschende Orte und Informationen heraus.
So geht’s:
Jede:r Teilnehmende markiert zwei oder drei Orte auf der Karte und erzählt kurz, wieso ihnen dieser Ort wichtig ist oder was sie damit verbinden. Das können beispielsweise Herkunft, Familienbeziehungen oder auch ein zukünftiges Traumreiseziel sein.
Auch hier dürfen die Teilnehmenden also selbst entscheiden, wie sehr sie in die Tiefe gehen wollen und die Antworten werden sehr individuell.
Vielleicht wird es eine sehr kleine oder eine sehr weitreichende Karte. Auf jeden Fall entstehen aber auch mit dieser Methode schnell sehr organische Gespräche, wenn Menschen einfach von sich und ihrem Leben erzählen.
Methode 4: Kennenlernen mit Meinungsaustausch
Diese letzte Kennenlern-Methode ist besonders inhaltlich anpassbar und kann auch bereits ein wenig mehr in eine Diskussionsrunde münden.
Wie „kontrovers“ Du dabei sein möchtest, ist Dir überlassen. Manchmal bringen eher provokative Fragen spannende Diskussionen hervor, aber sie können auch zu weit führen. Hier ist also Dein Feingefühl gefragt.
Natürlich kann man eine solche Methode aber beim Kennenlernen auch mit völlig unverfänglichen Themen durchführen!
So geht’s:
Wir benötigen im Prinzip eine Skala und Aussagen/Themenpunkte zur Einordnung.
In der Präsenz lässt sich dies im Raum sehr gut umsetzen – eine Seite ist das eine Extrem, die andere Seite das gegenteilige. Wenn die zu bewertende Aussage also lautet „Ich trinke gerne Kaffee“, müssen sich die Teilnehmenden entsprechend ihrer Bewertung im Raum positionieren.
So erkennen die Gruppenmitglieder einerseits schnell visuell Gemeinsamkeiten und Unterschiede untereinander und bekommen andererseits direkt Gesprächsmaterial.
Auch Online geht die Methode sehr gut, dann musst Du eventuell nur etwas mehr vorbereiten. Dann kannst Du die entsprechenden Themen als Bild teilen und die Lernenden können per Punkt/Stempel ihre Position festlegen.
In der digitalen Variante wären hier sogar auch anonyme Varianten denkbar um Meinungsbilder zu erhalten, nur entfällt dann natürlich der Kennenlern-Aspekt.
Welche Kennenlern-Methode verwendest Du gerne für Deine Gruppen? Wir haben schon viele tolle Methoden gehört, die sicher auch andere Lehrende interessieren!