Verkehrte Welt? – Lernen durch Lehren

Woran denken wir normalerweise spontan beim Stichwort „Unterricht“ oder „Lehrveranstaltung“?

Meistens an eine Situation, in der es eine Lehrperson gibt, die den Lernenden etwas beibringt.

Selbst wenn wir unsere Rolle mehr im Sinne der Lernprozessbegleitung begreifen; der Input kommt in vielen Fällen doch von uns.

Der einleuchtende Nachteil dabei ist: Die Teilnehmenden verbleiben häufig in einer rein rezeptiven Position. Diese Grundhaltung ermüdet nicht nur auf Dauer, sondern ist unter Umständen auch viel weniger effektiv als ein handlungsorientierter Ansatz.

Aus dieser Kategorie gibt es viele spannende Methoden, wir haben beispielsweise bereits über das >>projektbasierte Lernen oder auch >>Planspiele gesprochen.

Ein weiterer Ansatz ist das sogenannte „Lernen durch Lehren“ (im Folgenden auch: LdL). Eine pädagogische Philosophie, die den Spieß einmal ein wenig umdreht.

Was ist Lernen durch Lehren?

Die Methode entstand bereits in den 80er Jahren und wird in ihrer Entwicklung vor allem Jean-Pol Martin von der Universität Eichstätt-Ingolstadt zugeschrieben.

Die Entstehung dieses Konzepts beruht vor allem auf einer Kritik des klassischen „Frontalunterrichts“, der also schon damals nicht nur Befürworter:innen hatte.

Die Grundidee ist, die Lernenden aus ihrer rezeptiven Rolle herauszuholen und ihnen wesentlich mehr Verantwortung und Eigeninitiative im Lernprozess zu übertragen. Diese Eigenschaften stehen beim LdL daher besonders im Fokus:

  • lerner:innenzentriert
  • kooperativ
  • selbstständig und eigenverantwortlich
  • Nachhaltigkeit des Lernens

Die Rolle der Lernbegleitung ist dabei die Anleitung des Prozesses und die sorgsame Supervision, ohne ständig einzugreifen oder vorwegzunehmen. Es sollen so viele Arbeitsschritte wie möglich auf die Lernenden übertragen werden.

Denn diese Annahme liegt zugrunde: Teilnehmer:innen lernen tiefgehender und nachhaltiger, wenn sie sich Inhalte selbst erarbeiten und diese im Anschluss anderen erklären. Denn wenn wir etwas erklären müssen, setzt das ein besonders umfassendes Verständnis der Lerninhalte als Basis voraus.

Wie läuft eine LdL-Einheit ab?

Im Zentrum einer LdL-Einheit stehen im Grunde zwei Phasen:

Die Vorbereitungsphase in Einzel- oder Paararbeit und die anschließende Präsentationsrunde.

In der Vorbereitungsphase bekommen die Lernenden einen neuen Themenbereich zugeteilt, mit der Aufgabe diesen für sich und die anderen aufzubereiten.

Ob Du hier Einzelarbeit oder Kleingruppen wählst, hängt ganz von der Lernsituation und der Gruppenkonstellation ab. Wenn Du Gruppen bildest, sollten diese so klein wie möglich sein, damit sich alle beteiligen „müssen“. Denn die Eigenverantwortlichkeit ist schließlich der wichtigste Eckpfeiler der Methode.

Aber auch eine Mischung der Sozialformen ist hier denkbar und bietet viel Abwechslung – etwa von der Einzelarbeit über Kleingruppen.

Während dieser ersten Phase stehst Du als Berater:in und Unterstützer:in zur Verfügung, hältst Dich aber so oft wie möglich zurück. Denn die Lernenden sollen den größtmöglichen Freiraum bei der Gestaltung ihrer Präsentationen bekommen – das verspricht immer die spannendsten Ergebnisse und gibt Raum für Individualität.

Die anschließende Präsentation kann dabei auch Übungen einschließen, die die Lernenden selbst konzipiert haben. Die Grundidee ist letzten Endes, den Teilnehmenden so viel didaktische Verantwortung wie möglich zu übertragen.

Dieser Perspektivwechsel von reiner Aufnahme zu der Überlegung, wie ich mein neues Wissen anderen vermitteln kann, führt zu viel mehr kognitiver Aktivität.

Hier kannst Du vor allem auch mit kollaborativen Tools arbeiten, denn so entstehen nicht nur die Präsentationen, sondern auch ein vollkommen eigenständig erstelltes Nachschlagewerk.

Es ist je nach Lernsituation und Gruppe natürlich auch möglich, gewisse Inhalte zur Aufbereitung vorzugeben. Eventuell ist es aber auch so, dass wir unseren Lernenden nicht genügend zutrauen und sie von Beginn an zu sehr einschränken – zu diesem Faktor kommen wir abschließend noch einmal!

Ganz am Schluss ist es natürlich wichtig, dass alle offenen Fragen beantwortet oder eventuelle gröbere Missverständnisse geklärt werden. Denn schließlich sollen sich keine Fehlinformationen festigen.

Über die Methode hinaus

Die besten Methoden sind solche, die mehr als nur reine Inhalte vermitteln.

Auch das Lernen durch Lehren hat viel Potenzial, weitere wichtige Soft Skills und Kompetenzen zu fördern.

Insbesondere auf dem Gebiet der Eigenständigkeit können Lernende hier viel mitnehmen. Denn sie lernen, wie sie eigenverantwortlich recherchieren und Inhalte aufbereiten. Diese Kompetenzen sind sicherlich weit über eine Veranstaltung hinaus wertvoll.

Es kann durchaus sein, dass sie sich mit dieser Verantwortung zunächst überfordert fühlen, aber bei regelmäßiger Anwendung der Methode werden sie auch damit vertrauter. Das kann gerade bei stilleren Lernenden die Hemmschwelle abbauen, sich aktiv am Lernprozess zu beteiligen.

Denn auch soziale Kompetenzen können mit einer solchen Methode geschult werden, wenn die Teilnehmer:innen aus ihrer rezeptiven Rolle herausgeholt werden.

Der LdL-Ansatz kann gerade auf diesen Gebieten effektvoll sein:

  • Eigenständigkeit und Selbstwertgefühl
  • Problemlösungsstrategien und Organisationsfähigkeit
  • Exploratives Verhalten
  • Verknüpfung von bestehendem und neuem Wissen; Transfer
  • Aktives Reflektieren und Diskutieren; Kommunikationsfähigkeit

Alle diese Aspekte tragen dazu bei, dass Lernende sich weiterentwickeln und auch in einem (zukünftigen) Beruf besser aufgestellt sind. Denn das verlangte Maß an Eigenverantwortung wird zunehmend höher und auch aus diesem Grund können Lehrveranstaltungen hier ein wichtiges Fundament schaffen.

Was, wenn Hindernisse auftreten?

In der Theorie klingen Methoden immer sehr schön und auch die Hintergründe leuchten wirklich ein.

Eventuell siehst Du aber auch jetzt schon mögliche Lernhindernisse in diesem Prozess voraus. Was passiert beispielsweise, wenn meine Lernenden noch gar nicht über die nötigen Recherche-Kompetenzen verfügen?

Manchmal werden uns auch innere Widerstände begegnen, wenn wir Lernende zu so einem hohen Maß an Eigeninitiative einladen.

Grundsätzlich basiert der LdL-Ansatz auf der Annahme, dass wir unseren Lernenden oftmals viel zu wenig zutrauen. Wir sollen ihnen dagegen Vertrauen und auch Respekt schenken, indem wir uns nicht als „Lehrperson“ über sie erheben.

Im besten Fall überträgt sich dieses Vertrauen in der Folge auch auf das Selbstwertgefühl der Lernenden.

Also ja, diese Methode wird vielleicht nicht immer reibungslos ablaufen oder makellose Ergebnisse hervorbringen. Doch wenn sie regelmäßig angewendet wird, kann sich hier ein besonders positiver Effekt auf das Selbstverständnis der Lernenden einstellen.

Sie gewinnen mehr Zutrauen zu den eigenen Lernfähigkeiten und werden als Lerner:innen und Menschen in ihrer Selbstständigkeit bestätigt.

Es kann aber auch je nach Lerngruppe zuträglich sein, dass im Vorfeld zur Implementierung eines LdL-Ansatzes ein paar Grundlagen geklärt werden – beispielsweise Recherche-Techniken oder die Erstellung einer Präsentation.

Denn ansonsten kann es natürlich passieren, dass sich die Lernenden zu sehr an den Rahmenbedingungen aufhalten und die Inhalte zu kurz kommen.

Aus welchen Gründen brechen Teilnehmer:innen eine Weiterbildung ab?

Es kann schwierig genug sein, die scheinbar passenden Teilnehmer:innen für Dein Seminar zu finden.

Diese dann auch bei der Stange zu halten, ist eine weitere Herausforderung. Im schlimmsten Fall kommt es dann sogar zu einem Abbruch – entweder über ein eher passives Distanzieren oder einen dauerhaften Ausstieg aus der Lerngruppe.

Es gibt viele Gründe für einen Drop-out, die Dich als Weiterbildner:in besonders schmerzen können. Das betrifft vor allem diese Teilnehmer:innen, die eigentlich perfekt zu Thema und Gruppe passen und auch noch die die richtige Motivation mitgebracht haben.

Und dennoch brechen auch diese Lernenden hin und wieder eine Fortbildung ab.

Aus welchen Hauptgründen brechen Teilnehmer:innen eine Weiterbildung überhaupt ab und wie können wir diese Faktoren besser verstehen?

Bevor es überhaupt losgeht

Zunächst einmal sei gesagt, dass ein Abbruch nicht immer unbedingt problematisch sein muss. In einigen individuellen Fällen ist es sicherlich die richtige Entscheidung. Interessen haben sich vielleicht verlagert, die persönliche Situation verändert oder die Vorstellungen waren einfach anders.

Letzteres kann aber bereits oft durch eine besonders klare Kommunikation des Weiterbildungsangebots vermieden werden. Beschreibe immer so genau wie möglich, in welchen Modi Du weiterbildest und wie Deine pädagogische Philosophie aussieht.

Besonders für längerfristige Angebote solltest Du auf keinen Fall einfach alle Interessenten akzeptieren – auch wenn es finanziell verführerisch sein kann.

Tatsächlich steht die Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch in proportionalem Verhältnis zur Dauer einer Weiterbildung und steigt mit zunehmender Zeit leider nur weiter an.

Du solltest daher unbedingt persönliche und individuelle Beratungsgespräche führen, um die Erwartungen direkt richtig einzustellen.

So können beide Seiten sichergehen, dass die Weiterbildung wirklich zu den Plänen und Zielen der jeweiligen Person passt – das ist besonders wichtig für eine anhaltende Motivation!

In diesen Gesprächen kannst Du feststellen, on Du es wirklich mit geeigneten Kandidat:innen für Deine Weiterbildung zu tun hast. Außerdem können auch die potentiellen Teilnehmer:innen ihre wichtigen Fragen klären und Dich etwas kennenlernen.

Denn ja, auch die „Chemie“ zwischen Lernenden und Lernbegleiter:in kann langfristig eine Rolle spielen und sollte grundsätzlich stimmen.

Der Grund Nummer 1

Die Gründe für den Abbruch einer Weiterbildung sind sicherlich vielfältig, sehr individuell und häufig eine Mischung aus verschiedenen Faktoren.

Und dennoch können wir vor allem in der größtenteils freiwilligen, eigenmotivierten Erwachsenenbildung vieles auf ein Hauptproblem zusammendampfen:

Mangelnde Flexibilität.

Das kann natürlich vieles bedeuten. Vor allem ist das aber darauf zurückzuführen, dass wir in der Weiterbildung oft mit Menschen im Berufs- und Familienalltag zu tun haben.

Das heißt unsere Teilnehmer:innen sind an vielen Stellen eingespannt und brauchen eine Weiterbildung, die ihnen so viel wie möglich entgegenkommt. Die Stichworte Teilnehmerorientierung und bedarfsgerechtes Lernen werden also immer wichtiger.

Was bedeutet das für Dich als Weiterbildner:in genau und wie kannst Du bei der Seminargestaltung die Chancen auf einen Abbruch minimieren?

Mobiler und digitaler Support

Selbst wenn Du eine Weiterbildung in Präsenz anbietest, kann eine digitale Ergänzung mehr als sinnvoll sein.

Mit zusätzlichen Aufzeichnungen, Videos und Folien auf einer Lernplattform kannst Du Deine Lernenden dauerhaft unterstützen und verhindern, dass bei Fehlzeiten direkt große Lücken entstehen.

Außerdem fällt so allen Lernenden das Nacharbeiten und Wiederholen viel leichter. Eine gute mobile Verfügbarkeit öffnet zusätzlich die Möglichkeit, sich auch etwa im Zug mit den Inhalten zu befassen.

Insgesamt verminderst Du so das Risiko, dass Lernende ungewollt den Anschluss und somit die Motivation verlieren.

Je mehr Wege zu Deinen Lerninhalten Du anbietest, desto größer ist die Chance, dass Teilnehmer:innen ihren individuellen und flexiblen Lernweg finden können! Es sei auch gesagt, dass volle Online-Weiterbildungen oftmals mehr Flexibilität bieten können, da eine Anfahrt und physische Anwesenheit entfallen. Auf diese Weise können externe Faktoren weniger Einfluss nehmen und beispielsweise auch Eltern kranker Kinder weiterhin an Sitzungen teilnehmen.

Weniger Terminstress

Eines kennt sicherlich noch jeder aus der Schule: Dieses flaue Gefühl im Magen am Tag oder Morgen vor einer Prüfung.

Dieser Prüfungsdruck kommt auch daher, dass eine Klausur auf einen bestimmten Augenblick terminiert ist. Das heißt, wir müssen genau zu diesem einen Zeitpunkt topfit sein und unsere beste Leistung abrufen können.

Das ist schon für Schüler:innen stressig genug und wird für Erwachsene mit diversen anderen Verpflichtungen nicht besser.

Wie Du helfen kannst? Indem Du weniger Dinge fix terminierst, wann immer es Dir möglich ist.  

Auch hier können Online-Plattformen übrigens helfen. Du kannst über dein Lernmanagement System ein Quiz einstellen, das dann etwa im Zeitraum von einer Woche bearbeitet werden kann.

Zusammen mit einer rechtzeitigen Ankündigung im Seminarplan haben Teilnehmer:innen viel mehr Flexibilität, um diese Dinge in ihren Alltag einzubauen.

Natürlich wird es gewisse feste Termine immer geben. Du kannst aber auch hier gemeinsam im Konsens mit der Gruppe entscheiden, um diese Termine so teilnehmerorientiert wie möglich zu integrieren.

Die richtige Dosis Selbstständigkeit

Es kann manchmal schwierig sein, die richtige Balance zwischen Steuerung und Selbstständigkeit in einem Lernprozess zu finden.

Denn nur auf Eigenverantwortung allein zu bauen, ist leider meistens kein Erfolgsrezept. Selbstgesteuertes Lernen kann zwar viel gewünschte Flexibilität schaffen, aber auch in einem beschäftigten Alltag in den Hintergrund geraten.

Daher kannst Du hier mit regelmäßigen Remindern und kleinen, leicht zu bearbeitenden Impulsen nachhelfen. Auch die Integration in eine dynamische Online-Lerngruppe kann positive Verbindlichkeit schaffen.

Die Gruppe an sich ist ebenfalls ein Faktor:

Denn auch Über- und Unterforderung können eine Rolle für eine Abbruchsentscheidung spielen – eine Falle, die insbesondere in heterogenen Lerngruppen schnell lauern kann.

Sei auf jeden Fall aufmerksam und biete Deine Lerninhalte variiert und gerne auch in der Schwierigkeit differenziert an. So verhinderst Du, dass sich die Extreme zu weit voneinander entfernen und die Motivation abbaut.

Ist Abbruch ein Beinbruch?

Manchmal zeichnet sich ein Abbruch leider schon am Horizont ab.

Zu Beginn hochmotivierte Teilnehmer:innen lassen immer mehr Sitzungen ausfallen und sind weniger präsent.

Auch an dieser Stelle kann nur eins helfen: Ein offener Dialog.

Nur so kannst Du herausfinden, wo der Hund begraben liegt. Ob es persönliche Faktoren sind, die gerade ablenken oder ob es im besten Fall sogar etwas gibt, das Du tun kannst.

Vielleicht brauchen Lernende einfach etwas zusätzliche Unterstützung oder empfinden bestimmte Lernformen oder Methoden persönlich als Lernhindernisse.

Denn in den meisten Fällen ist ein Abbruch keine kurzfristige Entscheidung, sondern entwickelt sich langsam, wenn sich Frustrationen aufstauen.

Du wirst es nur herausfinden, wenn Du nachfragst. Eventuell kannst Du so besser unterstützen und einen Drop-out verhindern.

In einigen Situationen kannst Du sogar Abbrecher:innen in eine neue Richtung hin beraten, in die Du sie trotzdem weiterhin begleiten kannst.

Oder: In manchen Fällen haben Teilnehmer:innen tatsächlich trotz guter Beratung andere Erwartungen oder Pläne und selbst dann hilft es trotzdem, Klarheit zu schaffen. Denn unmotivierte und abwesende Teilnehmer:innen können sich schließlich sogar auf Dauer auf die restliche Lerngruppe auswirken.