Störer*innen im Online-Seminar – Wie geht man mit ihnen um?

Jede*r Trainer*in kennt die klassischen technischen Störfaktoren eines Online-Seminars: Audio-Probleme, instabile Verbindungen und fehlende Links.

Aber die zweitgrößte Störungsquelle ist wohl menschengemacht. Unter Trainer*innen hört man häufig von „schwierigen Teilnehmer*innen“ und wie sie einen Lernprozess unterminieren können.

Viele Pädagog*innen sind zwar mit engelsgleicher Geduld ausgestattet, aber an einem gewissen Punkt werden einzelne Teilnehmer*innen zum Lernhindernis für die gesamte Lerngruppe.

Denn das ist leider oft das größere Problem: Störer*innen beeinträchtigen unter Umständen das Lernerlebnis aller Teilnehmer*innen und weiten sich eventuell sogar noch aus, wenn man sie zu ignorieren versucht.

Was kannst Du also tun, um die Gruppenharmonie zu wahren und den betroffenen Teilnehmer*innen wieder in die richtige Spur zu helfen?

Wie werden Lernende zu Störer*innen?

Die gute Nachricht ist: Auf viele der Faktoren, die Störungen hervorrufen, hast Du als Trainer*in aktiven Einfluss.

Natürlich gibt es auch Ursachen für Störungen, die aus der Persönlichkeit einzelner Teilnehmer*innen entspringen, aber in vielen Fällen entsteht das Verhalten aus verschiedenen Seminarsituationen.

Denn es kann uns manchmal leicht fallen, die Schuld für suboptimale Situationen auf die Lernenden zurückzuführen anstatt unsere Seminargestaltung zu hinterfragen.

Die häufigsten Ursachen für Störungen umfassen unter anderem:

  • Missverständnisse durch mangelnde Informationen
  • Unsicherheit durch unklare Ziele und Aufgabenstellungen
  • Frustration durch Mangel an Erfolgserlebnissen und Anerkennung
  • Unter- oder Überforderung (eventuell durch methodische Mängel)
  • Gefühl der Isolation durch fehlenden Austausch und Interaktion
  • Konzentrationsprobleme

Wie Du siehst, beruhen viele potentielle Störungen auf Missverständnissen oder fehlenden Informationen.

Als Trainer*in konzipierst Du Deine Seminare inklusive aller Inhalte und Methoden und hast den vollen Überblick über Deine Struktur.

Dabei vergisst man schon mal schnell, dass die meisten Dinge aus der Sicht Deiner Teilnehmer*innen neu sind.

Daher neigen wir als Trainer*innen vielleicht manchmal dazu, den Lernenden nicht genügend Informationen an die Hand zu geben. Indem Du alle Deine Arbeitsanweisungen und Materialien so klar und eindeutig wie möglich formulierst, kannst Du vielen Missverständnissen vorbeugen.

Auch indem Du immer wieder genug Raum für Nachfragen einräumst, kannst Du für maximale Klarheit sorgen und verhindern dass sich Blockaden verfestigen.

Digital unkonzentriert?

Eine der häufigsten Ursachen für Störungen sind Konzentrationsprobleme. Wir vergessen manchmal, wie anstrengend langanhaltende Konzentration ist und unterschätzen, wie schnell sie abnimmt.

Fehlende Konzentration verwandelt sich schnell in Demotivation und führt im nächsten Schritt oft zu störendem Verhalten.

Da Konzentrationsschwächen in digitalen Lernräumen sogar noch schneller und ausgeprägter auftreten, solltest Du Deinen Ablauf daran anpassen können.

Manche Teilnehmer*innen sind sicher individuell anfälliger für mentale Schwächephasen, aber insgesamt solltest Du allen Lernenden zuliebe die Einheiten kurz und knackig mit viel Beteiligung gestalten.

Auch die Pausenstruktur kannst Du frei an die aktuelle Lage anpassen – wenn Du eine erhöhte Unruhe oder zu große thematische Abschweifung bemerkst, wird es Zeit für eine Pause. Idealerweise umfasst diese Pause auch den Abbau von etwas angestauter Energie in Form von Bewegung oder kleinen Lockerungsübungen.

Lernschwierigkeiten bei Erwachsenen

In der Erwachsenenbildung hast Du es häufig mit Menschen zu tun, deren formale Bildung Jahrzehnte zurückliegt. Das systematische Lernen erfordert für viele Menschen mehr Anstrengung als wir uns vorstellen können.

Wenn Menschen sich unsicher und inkompetent fühlen, reagieren sie häufig defensiv oder resignieren. Gerade ältere Menschen haben Befürchtungen, dass sie sich in digitalen Kontexten blamieren. Dadurch verhalten sie sich vielleicht sehr passiv und beteiligen sich weniger aktiv am Lernprozess.

Die Furcht vor Misserfolg führt auch dazu, dass diese Lernenden bei Unklarheiten nicht nachfragen und sich in die Gruppenanonymität flüchten.

Was für Dich also wie Arbeitsverweigerung aussehen kann, hat seine Wurzeln eventuell in großer Unsicherheit.

Was kannst Du tun, um in solchen Lerngruppen das Arbeitsklima aufzulockern?

  • Befürchtungen offen ansprechen und Erfolgsdruck nehmen
  • So viele kleine Lernerfolge wie möglich schaffen
  • Viel positive Bestärkung und einen anerkennenden Umgang
  • Erfahrungsaustausch ermöglichen, das hilft auch älteren Teilnehmer*innen sich einzubringen
  • So langsam und kleinschrittig wie nötig vorgehen, gerade am Anfang nicht überfordern

Keine Motivation?

Die Motivation in der Lerngruppe aufrecht zu erhalten ist eine dauerhafte Aufgabe für Dich als Trainer*in, die nicht immer einfach ist.

Leider werden Teilnehmer*innen in Unternehmen oft zu Fortbildungen „verdonnert“ und haben so manchmal von Beginn an eine ablehnende innere Haltung.

Hier hilft am besten eine ganz offene und proaktive Herangehensweise. Eröffne ruhig einen Raum, in dem Deine Teilnehmer*innen über ihre Ablehnung des Lerninhalts sprechen können. Oftmals bauen Lernende auf diese Weise etwas von ihrer Abwehrhaltung ab und Du bekommst mehr Informationen über die Hintergründe.

Denn manchmal äußern Teilnehmer*innen sich oberflächlich eher negativ – oft stecken aber lösbare Blockaden dahinter.

„Das interessiert mich nicht“ ➔ Die Inhaltsschwerpunkte entsprechen nicht den Vorstellungen

„Das hilft mir nicht“ ➔ Der Lernertrag wird als zu gering eingeschätzt

„Das ist zu theoretisch“ ➔ Der Praxisbezug ist nicht erkennbar

In vielen Fällen hilft Dir Deine Flexibilität. Du kannst versuchen mehr interaktive Methodik, einen höheren Praxisbezug oder andere thematische Schwerpunkte einzubeziehen. Natürlich musst Du oft an Deinem grundlegenden Seminarplan festhalten, aber Deinen Teilnehmer*innen ein Stück entgegenzukommen, bewirkt manchmal Wunder.

Gleichzeitig kannst Du direkt am Anfang ein inhaltliches Segment einfügen, indem Du die Bedeutsamkeit Deines Themas anhand von konkreten Beispielen erläuterst. So können die Lernenden einen realen Nutzen für die Lerninhalte erkennen.

In beruflichen Fortbildungen ist die Praxisnähe ohnehin besonders wichtig, um einen hohen Wissenstransfer zu gewährleisten.

Was, wenn Einzelne wirklich “schwierig” sind?

Natürlich gibt es auch Einzelfälle, in denen Teilnehmer*innen durch private Faktoren abgelenkt oder missgelaunt sind. Du kannst hier immer ein Einzelgespräch anbieten, um zu versuchen diesen Lernenden zu helfen, soweit möglich.

In einigen seltenen Fällen kann es natürlich trotzdem vorkommen, dass einzelne Teilnehmer*innen sich bewusst destruktiv verhalten.

Wenn diese Menschen sich trotz Deiner besten Bemühungen und offener Kommunikation nicht zum Lernen motivieren lassen wollen, brauchst Du es auch nicht persönlich zu nehmen.

Diese Fälle kannst Du in der Erwachsenenbildung häufig zum Glück umgehen, da die meisten Deiner Teilnehmer*innen hoffentlich freiwillig und gerne mit Dir arbeiten.

Wenn Du aber bei unterschiedlichen Aufträgen mit immer wechselnden Lerngruppen arbeitest, kannst Du ab und zu auf Widerstand stoßen.

Wir sagen immer, es kann niemand gelernt werden. Außerdem haben manche Menschen auch tatsächlich eine ganze Menge andere Probleme, die sie leider in diesem Moment auf Dich projizieren.

Online hast Du aber sogar noch mehr Kontrolle über Deinen Lernraum. In Präsenz würdest Du Dich vielleicht vor einem „Rausschmiss“ oder der Konfrontation mehr scheuen.

In größeren Live Veranstaltungen kommt es nämlich leider manchmal sogar dazu, dass sich anonyme Störer*innen einklinken. Diese einzelnen Menschen sind auch gar nicht wirklich Deine Teilnehmer*innen, da sie von Beginn an nur die Intention des Störens hatten.

Aber in einer Online-Veranstaltung kannst Du Dich wirklich problematischer Einzelpersonen mit einem Klick entledigen und auch für die Zukunft dafür sorgen, dass sie das Lernklima nicht mehr stören können.

Störungen können meist behoben werden

Die positive Quintessenz ist, dass die Mehrheit der Störfaktoren behoben werden kann. Auch viele individuelle Störer*innen können rehabilitiert werden und meinen es meistens auch gar nicht böse.

Aber natürlich nehmen wir unsere Störer*innen manchmal persönlicher als nötig oder lassen uns zu sehr durch sie ablenken.

Außerdem – wenn wir mal ehrlich sind – schieben wir alle die Verantwortung für schlechte Abläufe gerne von uns weg. Daher suchen wir die Ursachen manchmal lieber auf der anderen Seite.

Aber indem Du die Kontrolle über einen positiven und strukturierten Ablauf übernimmst, kannst Du Missverständnisse vermeiden.

Du kannst viele Störungen besser einordnen, wenn Du Dich immer nach dem Warum fragst und versuchst die Gründe für das störende Verhalten zu verstehen.

Je offener Du auch scheinbar sehr ablehnenden Reaktionen begegnest, desto näher kommst Du einer Auflösung. Denn hinter negativen Aussagen verstecken sich häufig Verbesserungsvorschläge – sie sind leider nur nicht sehr konstruktiv verpackt.