Große Gruppen, große Probleme?

Wir empfehlen meistens, dass die Gruppengrößen überschaubar bleiben sollen – auch und gerade auch Online. Die Gründe dafür liegen wohl auf der Hand: Besserer Überblick und mehr Potential für individuelle Betreuung.

Allerdings bekommen wir auch immer wieder Fragen von Trainer*innen oder Dozent*innen, die Online-Seminare mit einer sehr großen Teilnehmerzahl bewältigen müssen.

Gerade die digitale Welt hat viele Vorteile und öffnet viele Türen. Daher findest Du Dich vielleicht unerwartet in einer größeren Veranstaltung als geplant. Auch wenn Schulen oder Universitäten ihre Formate digitalisieren, musst Du gerne mal einen virtuellen Hörsaal mit 100 Teilnehmer*innen anleiten.

Wenn Du nur einen Vortrag hältst, verändert sich im Prinzip nicht viel, aber natürlich möchten die meisten Trainer*innen auch interaktive Elemente und Gruppenphasen integrieren. Die Frage ist also: Wie sorgst Du in einer großen Gruppe für Ordnung und Interaktion?

Hier sind einige Tipps, die Dir dabei helfen können:

Struktur rettet den Seminartag

Grundsätzlich ist deutliche Kommunikation und Struktur immer eine gute Idee. In großen Gruppen kann es Dir aber förmlich das Trainer-Leben retten. Denn unstrukturiertes Vorgehen endet bei vielen Beteiligten gerne im Chaos.

Das bedeutet ein guter Plan auf Deiner Seite und die kontinuierliche Kommunikation des Ablaufs an die Gruppe. Ablaufpläne sind in kleineren Gruppen manchmal zu starr, aber in Großgruppen erleichtern sie Dir die Moderation durchaus.

Auch die Kommunikations- und Dokumentationsprozesse sollten nicht dem Zufall überlassen werden, insbesondere wenn Ergebnisse erzielt werden sollen.

Dokumentation

Da wir gerade beim Thema sind: In großen Teilnehmergruppen passiert oft viel und gleichzeitig. Daher ist die organsierte Dokumentation der Ergebnisse besonders wichtig.

Kollaborative Tools für eine große Gruppe zu öffnen kann schnell unübersichtlich werden. Daher kannst Du etwa ein Whiteboard teilen und nach Wortmeldungen oder Gruppenphasen die wichtigsten Ergebnisse festhalten.

Je nach Format und Zielsetzung kannst Du auch die Dokumentation auslagern und stellvertretend von Teilnehmer*innen oder weiteren Moderator*innen übernehmen lassen.

Co-Moderation

Normalerweise eine freundliche Empfehlung, bei großen Gruppen fast schon eine Notwendigkeit.

In großen Gruppen kannst Du Dich nicht um jede einzelne technische Schwierigkeit selbst kümmern und permanent die Hauptveranstaltung unterbrechen. Eine Co-Moderation oder ein Technik-Support können sich diskret im Hintergrund um individuelle Teilnehmer*innen kümmern und Dir auch sonst zuarbeiten.

Mit den Co-Moderator*innen solltest Du Dich im Vorfeld gut austauschen und sie in den geplanten Ablauf einbeziehen. Zudem sollten sie so genau wie möglich wissen, welche Materialien oder sonstige Aufgaben sie vorbereiten können.

Falls Du keine Möglichkeit hast, externe Co-Moderator*innen einzusetzen, kannst Du zur Not zu Beginn designierte Rollen an Teilnehmer*innen vergeben. Eventuell stellt Dir ein Unternehmen auf Anfrage auch jemanden zur Verfügung, mit dem Du zusammenarbeiten kannst.

Puffer einbauen

Wie oft passiert es Dir, dass Methoden und Arbeitsphasen schneller gehen als geplant? Vermutlich eher selten, oder?

In großen Gruppen unterschätzt man gerne, wie lange einzelne Schritte dauern. Daher lohnt es sich auch genau zu überlegen, ob und wie beispielsweise Präsentationsphasen nach Gruppenarbeiten eingebaut werden. Die Ergebnispräsentation und -besprechung dauert selbst in kleineren Lerngruppen oft länger, daher lauert hier ein großer Zeitfresser.

Wenn Du in Großgruppen also interaktiv und auch in Gruppen arbeiten möchtest, plane immer eher weniger als mehr Inhalte ein.

Gruppenarbeiten

Ein intuitiver Schritt ist eine große Gruppe in kleinere Teilgruppen aufzuteilen. Je nach Deiner spezifischen Gruppengröße solltest Du darauf achten, dass diese Untergruppen dann nicht auch zu groß werden. Denn wenn auch die „Kleingruppen“ aus 15 Leuten bestehen, wird das eigentliche Problem nicht behoben.

Wie bereits angedeutet können viele kleine Gruppen dann allerdings eine Präsentationsphase erheblich ausdehnen. Sorge dafür, dass jede Gruppe stellvertretende Sprecher*innen ernennt, die die zentralen Gedanken aus der Gruppenphase kompakt vorstellen.

Abhilfe kannst Du auch über verschiedene Methoden schaffen, die Ergebnisse auf das Wichtigste reduzieren. So darf etwa jede Gruppe nur einen Satz oder ein Bild auf das Whiteboard setzen.

Es kann Dir auch helfen methodische Ansätze zu wählen, die nicht unbedingt eine Ergebnispräsentation erfordern, wie etwa Diskussionsrunden oder Pro-Contra-Szenarien. Alternative Methoden für Gruppenarbeiten kannst Du auch in unserem Artikel hier lesen.

Die richtige Methode

Es gibt verschiedene Ansätze für die Moderation auch großer Gruppen. Ein paar der bekanntesten stellen wir Dir hier als Anregungen kurz vor:

RTSC (Real Time Strategic Change)

Eine besonders strukturierte Herangehensweise für die Aktivierung und Projektplanung in Großgruppen. Es werden (oft über mehrere Tage) 4 Phasen durchlaufen: Aktueller Stand, Zukünftige Vision, Problemdiagnose, Handlungsbedarf zur Zielerreichung.

Diese Phasen sind natürlich für Deine Zwecke anpassbar, grundsätzlich ist die Einteilung in konkret abgesteckte thematische Phasen wichtig. Auch das strategische Denken soll so besonders geschult werden. Grundsätzlich wird beim RTSC Ansatz eine hierarchische Struktur eingehalten, die sich an reale Arbeitsabläufe anlehnt. Heißt also, Du als Leiter*in gibst Themen und die Marschrichtung vor.

World Café

Am anderen Ende des Spektrums befindet sich die World Café Methode. Hier stehen die Themen der Teilnehmer*innen besonders im Fokus. Ebenso ist eine offene und kooperative Kommunikation wichtig und es finden verschiedene Gesprächsrunden statt. Die Moderator*innen greifen hier nur wenig thematisch ein, sondern strukturieren eher den Ablauf.

Die Aufteilung in Gruppenräume ist hier besonders wichtig und in Präsenz-Runden wird auch gerne ein wenig dekoriert, um das lockere Café-Feeling zu bieten. Aber auch virtuell sollten sich die Teilnehmer*innen eine Tasse Kaffee oder Tee machen.

Die Zielsetzung dieser Offenheit ist der relativ geringe Aufwand und die minimale Anleitung von Deiner Seite. Es geht darum, die Gedanken und Herangehensweisen anderer Menschen kennenzulernen und konstruktive Gespräche zu erzeugen. Ein solcher Ansatz eignet sich also eher zur Themenfindung und offenen Diskussion.

Open Space

Auch der Open Space Ansatz orientiert sich an den von Teilnehmer*innen eingebrachten Themen, ist aber stärker auf Handlungs- und Ergebnisorientierung fokussiert.

Es werden zunächst im Plenum Themen gesammelt und dann einzelne Arbeitsgruppen geöffnet, die lösungsorientierte Ergebnisse und mögliche Projekte erarbeiten. Ablauf und Kommunikationsstruktur werden hier etwas strenger organisiert und eingehalten, aber grundsätzlich steht die Entwicklung von Ideen und Ansätzen durch offene Kommunikation in den Gruppen im Vordergrund.

MOVE

Der MOVE Ansatz eignet sich auch für die Bearbeitung komplexer Fragestellungen und umfangreicheren Projekten. Am Anfang steht immer ein konkretes Problemszenario. Darauf aufbauend folgen vereinfacht drei Stufen:

  1. Moderierte Themen- und Ideensammlung im Plenum
  2. Input der Teilnehmer*innen wird in Gruppen selbstorganisiert verdichtet und nach lösungsrelevanten Schwerpunkten gefiltert
  3. Verschiedene Intensiv-Gruppen zu einem Ergebnisziel, an dessen Ende ein konkreter Maßnahmenplan stehen soll

Speziell Online

Du hast über Online-Tools ein paar wunderbare Möglichkeiten, um eine Veranstaltung zu strukturieren. Grundsätzlich ist es nötig, dass die Stummschaltung immer aktiviert ist, wenn nicht aktiv gesprochen wird.

Mache auch auf jeden Fall Gebrauch von Breakout Rooms. Online hast Du den unschätzbaren Vorteil, dass Du Menschen ohne viel Aufwand in Gruppen bewegen kannst, ohne dass es Zeit kostet oder Unruhe im Raum entsteht.

Online solltest Du für einen reibungslosen Ablauf die Breakout Rooms entweder vorplanen oder von Deinem Support entsprechend einrichten lassen.

Durch die Bildschirmteilung kannst Du ebenfalls garantieren, dass alle Deine Teilnehmer*innen den gleichen Blick auf die jeweiligen Inhalte haben. Grundsätzlich hast Du durch die Zuschaltung vieler einzelner Menschen auch weniger individuelles Ablenkungspotential durch Nebengespräche im Raum. Um dieses Phänomen nicht virtuell über den Chat ersetzen zu lassen, solltest Du das private Chatten aber unbedingt abstellen!

Der Chat sollte nur offen für Fragen oder Kommentare an alle sein oder bewusst methodisch genutzt werden. Dabei sei allerdings beachtet: Wenn die einzelnen Ergebnisse hier relevant sind, kann auch der Chat eher Chaos stiften. Für ein Chat-Gewitter und ein wenig Aktivierung eignet sich der Chat aber auch in großen Gruppen!