Eine der wichtigsten Entwicklungen in der Aus- und Weiterbildung ist, dass Lernprozesse immer individueller werden.
Denn Menschen sind nun mal sehr unterschiedlich und stellen daher auch unterschiedliche Bedürfnisse an Lernkontexte.
Diverse Backgrounds in heterogenen Lerngruppen, verschiedene Lernstile und Vorwissen – das sind nur einige der Faktoren, die Lernen als Einheitslösung immer weniger passend machen.
Denn wenn es nur den einen Lernweg gibt, werden immer Lernende ausgeklammert und fühlen sich unter- oder überfordert.
Doch ist es überhaupt realistisch, in einer Lerngruppe wirklich bedarfsgerecht und individuell zu lernen?
Was ist adaptives Lernen?
Denn genau auf diesem Prinzip baut adaptives Lernen auf:
Der Bedarf aller einzelnen Lernenden wird erfasst und darauf aufbauend erfolgen verschiedene Vorschläge und Lernangebote.
Der Lernprozess wird somit personalisiert und an den Wissensstand und die Lernpräferenzen der Lernenden angepasst.
Der Grundgedanke ist, dass Ergebnisse und Leistungen so viel vergleichbarer werden. Außerdem wird so verhindert, dass sich Unter- oder Überforderung auf Einzelne und dann auch auf die ganze Lerngruppe auswirken.
Das Konzept ist übrigens keinesfalls neu, sondern geht bereits auf pädagogische Ideen aus den 1970ern zurück.
Adaptives Lernen baut auf drei Grundpfeilern auf, die für die bestmögliche Umsetzung nötig sind:
- Neurowissenschaftliche Basis: Wie funktioniert das Gehirn und laufen kognitive Prozesse ab? – Hier können auch Lernpräferenzen eine Rolle spielen
- Die Data: Das sind die Daten über das Lernverhalten während des gesamten Lernprozesses gespeichert und ausgewertet werden
- Maschinelles Lernen: Nicht nur die Teilnehmer:innen lernen, sondern auch die Software kann Lernverhalten analysieren und so automatisierte Vorschläge machen
Darauf aufbauend sollen dem Lernenden dann nur genau die Inhalte angeboten werden, die unmittelbar hilfreich sind. Das kann je nach Personalisierungsgrad auf verschiedenen Ebenen passieren, wie etwa:
- Wahl der angezeigten Module und ihre Reihenfolge
- Die einzelnen Inhalte und die vermittelten Kompetenzen
- Lernmethoden- und -Materialien
Wie erfassen wir den Bedarf?
In der Theorie klingt individuell angepasstes Lernen natürlich fantastisch.
Doch selbstverständlich stellt sich nun die Frage: Wie erfasst man überhaupt den individuellen Lernbedarf?
Zunächst einmal gibt es zwei verschiedene Ebenen, die wir betrachten können.
Die Makroebene beschreibt einen größeren Zusammenhang, der grundsätzlich auch die gesamte Gruppe oder Teilgruppen betreffen kann. Das kann also beispielsweise die Anpassung des Seminarplans, die Auswahl einer Lernplattform oder die Einteilung nach „Leistungsniveau“ sein.
Die eigentliche Personalisierung passiert dann auf der Mikroebene, die sich mit den individuellen Lernumständen befasst. Hier geht es auch um die direkte Interaktion zwischen Lernbegleiter:in und Teilnehmer:in, etwa durch eine Anpassung der Aufgabenstellung.
Die Mikroebene führt zum besten Personalisierungsgrad, erfordert aber auch die genauesten Daten, um den Lernprozess daran anpassen zu können.
Digitaler Support macht’s möglich
Ein großes Problem für die richtige Bedarfseinschätzung ist nämlich der fehlende Einblick in den Lernfortschritt während des Seminars.
Gerade viele Gruppenarbeiten können den Eindruck verfälschen, da sich “leistungsschwächere” Lernende im Hintergrund halten können. Daher fallen Lernhindernisse nicht immer direkt auf und Teilnehmer:innen selbst haben oft Hemmungen diese zu kommunizieren.
Eventuell gibt es am Ende eine Prüfung, aber dann ist es sowieso schon viel zu spät. Dann steht irgendwo eine schlechte Note und man fragt sich „Was lief schief?“.
Doch gerade in der freiwilligen Erwachsenenbildung gibt es häufig nicht einmal eine Form der Leistungsüberprüfung – also noch weniger Einblicke für Lernbegleiter:innen.
Genau an dieser Stelle können digitalisierte Lernprozesse und Lernplattformen unheimlich viel Transparenz schaffen. Und zwar nicht für die gesamte Gruppe, sondern nur für die Lernbegleiter:innen.
Viele andere Möglichkeiten Einblicke zu gewinnen, sind nicht immer so effektiv wie gewünscht. Regelmäßiges Feedback ist immer eine gute Idee, aber auch oft durch Umstände verfälscht oder eine Momentaufnahme.
Wenn ein digitales Programm den gesamten Lernprozess begleitet, bleiben die Eindrücke immer aktuell und zeichnen einen Verlauf, der auf den tatsächlichen Lernhandlungen beruht.
Lernen mit künstlicher Intelligenz?
Denn nicht nur Du bekommst so wichtige Einblicke, auch das System selbst.
Und im Gegensatz zu uns können Algorithmen unser Lernverhalten ganz objektiv erfassen und entsprechend reagieren.
Das Phänomen kennt jeder von uns aus dem Alltag. Einmal etwas in Google gesucht, findest Du die passenden Anzeigen bald auf jeder Webseite.
Doch anstatt diese Lernkraft für Marketingzwecke zu nutzen, können Algorithmen auch ein Lernerlebnis individualisieren; und das sogar in Echtzeit.
Adaptives Lernen bedeutet wortwörtlich, dass sich der Lernprozess und das Lerntempo dem Lernenden anpasst – und nicht umgekehrt.
In der Praxis bedeutet das zum Beispiel, dass bereits sehr vertraute Basics für Lernende mit viel Vorwissen übersprungen werden, um Frustration zu vermindern. Andererseits kann die Software feststellen, wenn Lernende noch mit Inhalten Probleme haben und gezielte Wiederholungen anbieten, bevor es inhaltlich weitergeht.
Auch hier müssen die betroffenen Lernenden nicht zwingend alles wiederholen, sondern bekommen nur passende Inhalte zu den Inhalten, bei denen sie noch individuellen Bedarf haben.
Und dieser individuelle Bedarf kann sich jederzeit ändern. Auch Lernende, die beispielsweise ein Quiz zuvor ohne Probleme bestanden haben, können eventuell zu einem späteren Zeitpunkt eine Auffrischung gebrauchen.
All diese detaillierten Faktoren sind kaum möglich für Lernbegleiter:innen zu analysieren und entsprechend zu handeln. Daher können Plattformen mit Hilfe von Tools und Softwares Dir an dieser Stelle assistieren.
Ist KI Lernen die Zukunft?
Wenn es um Themen wie maschinengesteuertes Lernen geht, haben viele Trainer:innen spontan eine ablehnende Haltung.
Das liegt vermutlich daran, dass wir alle etwas von dieser internalisierten Angst haben, dass künstliche Intelligenz unsere Arbeit ersetzen wird.
Doch wie wir bereits am Ende unseres >>letzten Artikels kurz besprochen haben, gehören Pädagog:innen allgemein zu einem ziemlich krisensicheren Berufsfeld.
Denn echte menschliche Erfahrung und Expertise lässt sich nicht so leicht automatisieren, nur die Lernmodi und Methoden aktualisieren sich.
Auch der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln ist nicht unbedingt als Bedrohung zu sehen, sondern immer nur als Unterstützung und Ergänzung. In den meisten Fällen können Dir Tools und Algorithmen sogar die lästigen Aufgaben abnehmen, die Dich sonst nur unnötig Zeit kosten.
Am Ende des Tages hältst Du trotzdem weiterhin alle Zügel in der Hand und kannst auf Basis der Daten oder Feedback eigene Schlüsse ziehen oder handeln.
Gleichzeitig kann ein personalisiertes Lernerlebnis Deinen Teilnehmer:innen sehr entgegen kommen und in Kombination mit Deiner persönlichen Komponente den Lernprozess so effizient und positiv wie möglich gestalten.