Wie Lernorte den Transfer fördern oder behindern können

Weiterbildung findet oft in designierten Räumen und an speziell dafür gedachten Lernorten statt.

Doch wir wissen auch, dass ein sehr wichtiger Teil von Weiterbildung der Lerntransfer nach der eigentlichen Veranstaltung ist.

Dieser Transfer findet dann natürlich meistens außerhalb eines Seminarraums statt und der entsprechende Raum kann ein Lernerlebnis – und die Effektivität des Prozesses – immer beeinflussen.

Was sind die klassischen Orte, an denen unsere Teilnehmenden nach der Weiterbildung lernen und wie können wir sie dabei unterstützen?

Die Lernumgebung spielt eine Rolle!

Auch wenn wir uns das wünschen würden: Oftmals befinden sich unsere Lernenden nicht gerade am idealen Lernort, wenn sie sich nach der Veranstaltung mit dem neuen Wissen auseinandersetzen.

Im beschäftigten Arbeitsalltag, neben verschiedenen Verpflichtungen oder abends zwischen den Kindern – Ablenkungen für den erfolgreichen Transfer gibt es genügend.

Die „Gefahr“ ist hier dann, dass wir schnell in alte Muster zurückfallen, da wir zu sehr beansprucht werden, um uns auf neues Wissen zu konzentrieren.

Auch die Lernumgebung selbst ist bei den meisten Menschen im häuslichen Umfeld nicht speziell darauf ausgerichtet. Es ist entweder ein eher improvisierter Lernort oder eine Umgebung, die das Gehirn auch mit vielen anderen Dingen verknüpft.

Das spielt dann natürlich gerade beim Online-Lernen eine Rolle und ist ein Faktor, der für Lernbegleiter:innen nur schwierig zu kontrollieren ist. Daher sollten wir immer auch Tipps an die Hand geben, wie ein Lernort angenehmer wird.

Dabei kann es durchaus auch sehr individuelle Präferenzen geben. Es sollen sogar Menschen existieren, die vollkommen unbeeindruckt von einem Chaos im Raum um sie herum am besten lernen.

Es sollte also das Ziel sein, den Lernenden bei der Identifizierung einer lernförderlichen Umgebung zu helfen – wie immer diese nun auch konkret für sie aussehen mag.

Die 4 häufigsten Lernorte im Vergleich

Außerhalb des Seminarraums gibt es grundsätzlich vier verschiedene Lernumgebungen, an denen Teilnehmende den Lerntransfer am häufigsten angehen:

  1. Im Büro/Am jeweiligen Arbeitsplatz
  2. Zuhause
  3. Unterwegs
  4. Draußen/In der Natur/An besonderen Lernorten

Betrachten wir also einmal, wie diese typischen Lernorte das langfristige Lernen beeinflussen und welche Tipps wir im Vorfeld mit auf den Weg geben können:

1. Der Arbeitsplatz

Der vermutlich häufigste Lernort im Anschluss an eine Weiterbildung. Denn Du hast ja hoffentlich auch Wissen vermittelt, das nah an der alltäglichen Praxis ist. Außerdem halten sich viele Erwachsene hier schließlich einen Großteil ihrer Zeit auf.

Diese Nähe kann durchaus ein großer Vorteil sein, denn die Verknüpfungen sind besonders stark und die Wege im Gehirn daher kurz.

Wir gehen hier vor allem von Formen von klassischen Büroumfeldern aus, aber grundsätzlich lassen sich diese Aspekte auch auf andere Arbeitsplätze anwenden.

Vorteile vom Lernen am Arbeitsplatz:

  • Lernunterlagen meistens alle vorhanden
  • Starke kognitive Verbindung von Lerninhalten und Lernort
  • Flexible Zeiteinteilung möglich, eignet sich vor allem auch für kürzere Einheiten

Doch ein Arbeitsplatz hat natürlich auch viele lernhinderliche Aspekte und Ablenkungen zu bieten, vor allem in Form der eigentlichen Arbeit und Kolleg:innen.

Denn meistens bekommen Erwachsene schließlich leider keine bewusst für das Lernen gedachte Zeit eingeräumt und müssen sich daher selbst organisieren. Wenn sie sich also eine Lerneinheit eintragen, können immer noch beispielsweise kurzfristige ToDos, Anrufe oder Lärm im Büro ablenken.

Manchmal können Teilnehmer:innen aber sogar nur am jeweiligen Arbeitsplatz auf ihre Lernunterlagen zugreifen, da diese etwa nur über ein Firmennetzwerk verfügbar sind. Daher sollten wir auch an der Optimierung dieses Lernortes arbeiten oder mit den Verantwortlichen über die freie Nutzung der Inhalte oder gesonderte Lernzeiten kommunizieren.

Tipps fürs Lernen am Arbeitsplatz:

  • Alle möglichen Geräte und Benachrichtigungen stumm schalten
  • Visuell anzeigen, dass gerade gelernt wird, z.B. mit einem geeigneten Schild
  • Lerneinheiten falls möglich bewusst im Kalender blocken
  • Während des Lernens alle unnötigen Reize aus dem Blickfeld räumen

2. Zuhause

Vermutlich wohl der zweithäufigste Lernort in der Rangfolge – in Fällen von Online-Lernen sogar eher noch der erste.

Hier können sich die Voraussetzungen sehr individuell je nach Lebenssituation unterscheiden. Ein Ein-Personen-Haushalt hat oftmals natürlich mehr Möglichkeiten für ungestörte Lernphasen als Alleinerziehende mit Kindern.

Es ist also schwieriger allgemeine Aussagen zu treffen, auch wenn eins für alle gilt: Wir verbinden unser häusliches Umfeld mit vielen Dingen, aber häufig nicht mit der Arbeit oder dem Lernprozess.

Daher wird empfohlen, dass ein Homeoffice oder ein Lernort zuhause ein designierter Bereich ist und nicht etwa der Esstisch oder die Couch. Denn wenn sich die Verknüpfungen zwischen Arbeit/Lernen und Abschalten zu stark vermischen, kann das zu immer weniger kognitiven Pausen führen.

Gleichzeitig hat das Lernen zuhause aber den Vorteil, dass wir unseren Lernbereich ganz auf unsere Bedürfnisse zuschneiden können. Hier können wir bequem lernen und unsere Zeit oftmals noch besser einteilen als etwa am Arbeitsplatz.

Tipps fürs Lernen Zuhause:

  • Designierten Lernbereich einrichten, am besten in separatem Raum oder ruhigem Bereich
  • Passende Zeiten nutzen, aber nicht unbedingt zum Lernen „zwingen“
  • Lernzeiten eher kurz und effektiv halten, bevor die Konzentration abbaut
  • Lernzeiten mit anderen Personen im Haushalt kommunizieren

Tatsächlich können andere Personen zuhause manchmal sogar für den Lernprozess genutzt werden, etwa in Form einer Diskussion oder der Reflexion. Gerade für soziale Lerner:innen kann der Austausch über die Inhalte mit anderen Menschen sehr hilfreich sein, selbst wenn diese nicht im Thema drin sind.

3. Unterwegs

„Unterwegs“ ist selbstverständlich schon der Definition nach kein festgelegter Ort. Wir gehen in diesem Fall einmal von Lernorten wie dem Zug oder dem Flughafen aus.

Die potenziellen Nachteile liegen auf der Hand: Wir sind unterwegs und daher kann die Konzentration je nach Situation schneller nachlassen.

Das heißt natürlich aber auch, dass sich hier kurze Einheiten besonders anbieten. Vor allem das Lernen oder Wiederholen über Online-Kanäle oder spezielles >>M-Learning kann ansonsten eher lästige Pendelzeit wertvoll machen.

Wenn wir also normalerweise von einer Zugverspätung genervt wären, können wir diese 10 Minuten auch genauso gut für eine kurze Lerneinheit nutzen. Voraussetzung ist natürlich meistens eine stabile Internetverbindung.

Tipps fürs Lernen unterwegs:

  • Notwendiges Lernmaterial mit sich führen und mobile Inhalte (ggf. im Vorfeld) heraussuchen
  • Kurze Einheiten spontan einstreuen
  • Einstellung überdenken: Äußerliche Ablenkungen können als zusätzliche Impulse dienen!

4. Draußen/In der Natur/An besonderen Orten

Die vierte Art des Lernorts lässt sich ebenfalls schwierig definieren, da hier beinahe alles denkbar ist.

Von einer Parkbank bis zum Kunstmuseum – je nachdem, welche Lernorte als persönlich wertvoll wahrgenommen werden oder zu den Inhalten passen. In dieser Vielfalt liegt auch die Chance, verschiedene Lernimpulse oder persönliche Lieblingsorte zu finden.

Denn wenn wir uns wohlfühlen, lernen wir am besten. Zudem finden wir an Orten in der Natur normalerweise besonders viel Ruhe und je nach Wahl weniger Ablenkung. Wenn uns zuhause oder im Büro also die Decke auf den Kopf fällt, kann ein solcher Lernort eine willkommene Abwechslung sein.

Zudem kann hier das genaue Gegenteil zum Lerntransfer am Arbeitsplatz eintreten: Die Distanz zur üblichen Umgebung kann manchmal ebenso das Lernen beflügeln wie die Nähe. So können wir die Inhalte noch einmal ganz losgelöst betrachten und reflektieren.

Tipps zum Lernen „draußen“:

  • Ruhige, entspannte Orte (evtl. mit geeigneter Sitzmöglichkeit) finden
  • Gezielt für Lerneinheiten nutzen, die wenig Material benötigen
  • Entweder Lieblings-Lernorte finden und regelmäßig zum Lernen aufsuchen oder bewusst Impulse variieren

Haben unsere Teilnehmenden sich verändert?

Die anhaltende Covid-Krise hat uns alle auf viele verschiedene Arten beeinträchtigt. Wechselnde Bestimmungen, Sorgen und für viele Menschen auch das Gefühl der Isolation.

Bei einem unserer letzten Live Coachings berichtete eine erfahrene Trainerin, dass ihr bei einem ihrer ersten Präsenz-Termine nach einer Weile auch eine deutliche Veränderung unter ihren Teilnehmer*innen aufgefallen sei.

Auch wenn sie als Trainerin happy war, dass es endlich wieder Präsenz gab, hatte sie das Gefühl, dass die Stimmung in den Lerngruppen insgesamt trotzdem gedrückt war. Einzelne seien sogar deutlich sichtbar von negativen Gefühlen geplagt worden.

Natürlich kannst Du sagen, dass Du als Trainer*in nicht Therapeut*in bist, aber: Teilnehmer*innen, die mit solchen Gefühlen beschäftigt sind, sind natürlich nicht offen für ein echtes Lernerlebnis. Auch die Gruppendynamik leidet darunter. Es ist daher durchaus in Deinem Interesse, dass die Grundstimmung positiv ist.

Haben die letzten 2 Jahre uns und unsere Lernenden also vielleicht so nachhaltig beeinflusst, dass wir auf die psychische Verfassung unserer Gruppen noch mehr eingehen müssen?

Wie kannst Du als Trainer*in dafür sorgen, dass Du die Grundstimmung anhebst und mehr auf diese Faktoren eingehst? Denn nur negative Entwicklungen festzustellen, reicht uns natürlich nicht, wir suchen nach konkreten Lösungen:

Lösungsansatz 1: Isolation

Menschen, die allein leben, waren in letzter Zeit besonders viel allein. Und selbst Menschen, die zusammenleben, wollten sich wohl nach Lockdown X irgendwann nur noch aus dem Weg gehen. Außerdem fehlen vielen natürlich die freundschaftlichen Kontakte außerhalb des häuslichen Umfelds.

Daher hast Du in Deinen Seminaren vermutlich viele Teilnehmer*innen sitzen, die sich dringend austauschen müssen. Dabei musst Du keine wertvolle Lernzeit abziehen, sondern eher während der Pausen und zwischendurch die Interaktion bewusst anschubsen.

Dafür gibt es einige Wege:

1. Austausch-Plattform bereitstellen oder anregen

Die Zeit während des Seminars ist schön und gut, aber der informelle Austausch kann sich natürlich erst außerhalb der Arbeitsphasen wirklich entfalten. Erstelle für Deine Teilnehmer*innen direkt eine Austausch-Gruppe oder gib Ihnen die Aufgabe, eine zu bilden. Da musst Du auch nicht unbedingt dabei sein, sie können gerne ihre eigene Whatsapp-oder Telegram-Gruppe aufmachen.

2. Gemeinsame Aktivitäten und Gruppenarbeit

Es kann die Gruppendynamik besonders stärken, wenn gemeinsame Übungen durchgeführt werden, auch gerne während der Pausen. Da viele Lernende vermutlich relativ gestresst sind, bieten sich auch Entspannungs- oder Meditationseinheiten an.

Kollaboratives und soziales Lernen ist Online ohnehin wichtig, aber insbesondere bei bedrückten Lerngruppen kann es sehr wirksam sein.

Anstatt alle in den Pausen ihrer Wege gehen zu lassen, kannst Du auch einen (virtuellen) Pausenraum öffnen, in dem sich die Gruppe locker austauschen kann. Eventuell am besten ganz ohne Deine Anwesenheit 😉 Du kannst sie dafür zum Beispiel auch auf eine andere Plattform (z.B. wonder.me) schicken.

Lösungsansatz 2: Zu wenig individuelle Betreuung

In Lerngruppen ist natürlich nicht immer Zeit, auf jedes Mitglied individuell einzugehen. Dabei brauchen das aktuell viele Lernende wahrscheinlich besonders. Wie kannst Du für mehr Individualität sorgen?

1. Kleinere Gruppen

Wenn Du auf diesen Faktor Einfluss hast, kann es sich lohnen, die Lerngruppe überschaubar zu halten. So kannst Du die Bedürfnisse der einzelnen Lernenden wesentlich besser im Blick behalten und Dir auch die Zeit nehmen, auf diese einzugehen.

Falls Du die Gesamtgruppengröße nicht festlegen kannst, achte auf die Gruppengrößen bei den Arbeitsphasen. In Kleingruppen können die Gruppenmitglieder besser aufeinander eingehen und auch zurückhaltende Teilnehmer*innen beteiligen sich eher.

2. Offener Dialog

Vielleicht merkst Du wie unsere Trainerin letztens, dass einzelne Teilnehmer*innen besonders abwesend oder bedrückt erscheinen. Dies offen (und im Einzelgespräch!) anzusprechen, kann hilfreich sein.

Selbstverständlich respektierst Du dann aber auch die persönlichen Grenzen, wenn jemand nicht über seine privaten Gefühle sprechen möchte. Aber Du wirst vielleicht überrascht sein, wie viele Menschen sich öffnen, wenn sie einfach mal ehrlich gefragt werden, wie es ihnen geht.

Lösungsansatz 3: Grundstimmung anheben

Viele von uns können einen Serotonin-Schub gut gebrauchen. Zum Glück gibt es einige Wege, wie wir unser Gehirn mit positiven Impulsen versorgen können:

1. Bewegung

Hier gibt es einige Möglichkeiten: Gemeinsame Stretching-Übungen während der Pausen oder Energizer, die ein Aufstehen erfordern. Das Thema Energizer ist insgesamt bei schlappen Lerngruppen besonders wichtig. Regelmäßige Energizer geben dem Gehirn einen Reset und nehmen den Fokus kurz von vielleicht ernsteren Lerninhalten.

Es muss aber nicht unbedingt sportliche Betätigung sein: Du kannst Deine Teilnehmer*innen auch einfach zu einem kleinen Spaziergang nach draußen schicken. Das kannst Du sogar auch noch mit einer Walk&Talk Einheit verbinden und so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. So bekommen die Lernenden eine Dosis frische Luft und können sich gleichzeitig noch ein wenig austauschen.

2. Lernraum angenehmer gestalten

Über die Lernumgebung hast Du bei Online-Formaten oft wenig Kontrolle. Und leider haben viele Lernende tatsächlich viele Ablenkungen in Form von Mitbewohner*innen, Kindern oder Lautstärke.

Dennoch kannst Du hier Hilfestellung geben: Du kannst das Thema direkt zu Beginn ansprechen und Tipps für einen besseren Lernraum geben. Falls möglich kannst Du sogar im Vorfeld Päckchen schicken, die kleine Aufmerksamkeiten enthalten.

Denn im Übrigen können auch alleine haptische Impulse bei langen Online-Einheiten die Stimmung heben!

Hast Du einen Lösungsansatz, wie Du mit bedrückten Teilnehmer*innen oder Lerngruppen umgehst? Wir freuen uns, von Deine Erfahrungen und Tipps zu hören!