“Übung macht den Meister”
Ein alter Spruch, in dessen Kern aber wohl immer viel Wahrheit stecken wird.
Denn schließlich gibt es da auch noch: “Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen”.
Beides gilt sicherlich auch für Meisterinnen und hat im Grunde dieselbe Aussage:
Wir müssen Fähigkeiten trainieren, um sie immer besser zu beherrschen. Die wenigsten Dinge fliegen uns einfach so zu.
Ja, Lernen ist also manchmal mit ein wenig Aufwand verbunden und Lernhindernisse müssen überwunden werden.
Deshalb steht auch das Thema Wiederholung im Zentrum vieler Lernprozesse. Doch wie wiederholen wir eigentlich so, dass es wirklich zielführend ist?
Wieso eigentlich wiederholen?
Um zu erklären, wieso wir durch Wiederholung lernen, müssen wir einen ganz oberflächlichen Ausflug in die Neurowissenschaft unternehmen.
Denn gezieltes Üben verändert unser Gehirn. Es verarbeitet alle Reize um uns herum in Form von elektrischen Signalen; auch die motorische Kommunikation mit dem Körper.
Je besser die Leiterbahnen für diese Signale funktionieren, desto effektiver werden die Signale transportiert. Durch Wiederholung legen wir Verbindungen an und stärken sie, sodass Impulse besser verarbeitet werden.
Denn egal ob als Kind oder im Erwachsenenalter – das Gehirn funktioniert immer nach demselben Prinzip. Wir verstärken ständig unsere Verbindungen oder bauen ungenutzte ab. Nur legen wir eben später im Leben weniger neue Synapsen an als zuvor.
Daher behalten wir neue Dinge durch Wiederholung besser und länger, da sich die entsprechenden Synapsen stärker ausbilden. Dinge, die wir nur einmal und dann nie wieder anwenden, kategorisiert das Gehirn einfach als „unwichtig“.
Überflüssiges Wissen würde uns nur Speicherplatz auf der Festplatte blockieren.
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es nie zu spät ist, neue Dinge zu lernen. Denn unser Gehirn ist bis zu unserem letzten Tag in der Lage, neue Verbindungen anzulegen.
Somit sollte es uns nicht davon abhalten, uns in jedem Alter neue Fähigkeiten anzueignen. Denn im Prinzip passiert im Gehirn von späten Anfänger:innen genau dasselbe wie bei Frühstarter:innen. Mit jeder Übungseinheit verknüpfen sich die jeweiligen Areale des Gehirns stärker.
Egal wann man also das Klavierspielen erlernen möchte, läuft der Lernprozess ähnlich ab. Bereits nach der ersten Einheit verändern sich die Aktivitätsmuster im Gehirn und die Vernetzungen zwischen Hand- und Hörregionen werden stärker. Wenn man weiter übt, so sind diese Verbindungen nach etwa drei bis fünf Wochen stabil und dauerhaft.
Die Eigenschaft unseres Gehirns, sich immer wieder neu zu verschalten und anzupassen, nennen Forscher Plastizität. Diese Eigenschaft bleibt uns ein Leben lang – auch wenn das Maß der Anpassungsfähigkeit mit dem Alter ein wenig nachlässt.
Wiederholen ist nicht gleich Wiederholen!
Wiederholung ist also essentiell.
Doch daraus entsteht häufig eine Fehlinterpretation darüber, was Wiederholung eigentlich beinhaltet.
Denn es bedeutet nicht, dass wir dieselbe Übung 100-mal wiederholen.
Wirklich effektive Wiederholung bedeutet, dass wir neues Wissen auf vielfältige Kontexte anwenden lernen.
Zunächst eignen wir uns also eine Grundkompetenz an, die wir dann stetig erweitern und im Gehirn festigen.
Wenn wir also beim Beispiel des Klavierspielens bleiben:
Du würdest wohl kaum nur ein einziges Stück spielen lernen und für den Rest Deines Lebens nur dieses eine Stück spielen wollen.
Könntest Du dann überhaupt wirklich Klavier spielen? Oder hast Du Dir nur die eine, sehr spezialisierte Fähigkeit angeeignet, ein bestimmtes Stück zu spielen?
Vielleicht würdest Du dieses eine Stück irgendwann zur Perfektion meistern, aber dabei könntest Du Deine erlangte Fähigkeit so viel weiter ausdehnen und auf viele weitere Kontexte (=Stücke) anwenden.
Du hast sicherlich auch selbst schon einmal etwas auswendig gelernt, etwa für eine Prüfung. Eventuell hast Du denselben Inhalt dafür viele Male gelesen oder aufgeschrieben.
Doch Auswendig-Lernen ist das genaue Gegenteil von effektiver Wiederholung. Denn es geht nur um Abspeichern von Information, die dann beinahe unverändert – und auch unreflektiert – wiedergegeben wird.
Das hat wenig mit tieferem Verständnis zu tun oder einer tatsächlichen Anwendungskompetenz.
Daher ist es also grundsätzlich so wichtig, dass wir Wissen verknüpfen. Denn die beste Wiederholung liegt oft einfach in der praktischen Anwendung.
So üben wir effektiv!
Mit diesem ganzen Grundwissen im Gepäck können wir nun den Ablauf gestalten.
Im ersten Schritt lernen wir natürlich erstmal eine bestimmte Kompetenz oder erschließen einen Wissensbereich.
Mit diesem Ablauf gelingt das allgemein am besten:
- Einfache Übung:
Wenn wir in eine neue Übung starten, sollte diese besonders zugänglich sein. Sonst werden Lernende schnell demotiviert. Schließlich stehen ihnen noch keine effektiven Leiterbahnen für diese Signale zur Verfügung. - Übung “korrekt” ausführen:
Wenn wir verstanden haben, worum es in einer Übung geht, können wir uns mehr auf die genaue Ausführung konzentrieren.
Das ist wichtig, da wir durch die Wiederholung “falscher” Signale eben auch diese stärken. Dadurch wird es später schwieriger, das zu korrigieren.
Kurzes, präzises Wiederholen ist dabei immer besser als ausgedehntes, halbherziges Lernen mit vielen Störungen. - Übungen zeitlich aufteilen:
Starke Synapsen-Verbindungen entstehen nicht über Nacht. Deshalb müssen wir durch regelmäßige Wiederholung dranbleiben. Denn so versteht unser Gehirn, dass es sich hier um wichtige, lernenswerte Inhalte handelt. - Übung variieren:
Der letzte wichtige Schritt ist nun, die Verbindungen auszuweiten und so ein ganzes Netzwerk zu stärken.
Wenn wir uns also die Grundlagen des Themas Führungsstile erarbeitet haben, müssen wir diese auf verschiedene Szenarien anwenden – etwa in einem Rollenspiel.
So wird nicht nur theoretisches Wissen praktischer greifbar, es wird auch breiter mit bestehendem Wissen vernetzt und kritisch reflektiert.
Die wichtigste Erkenntnis ist also:
Wiederholung ist wichtig und muss vielfältig sein, um wirklich effektiv sein zu können!