So geht effektive Wiederholung!

“Übung macht den Meister”

Ein alter Spruch, in dessen Kern aber wohl immer viel Wahrheit stecken wird.

Denn schließlich gibt es da auch noch: “Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen”.

Beides gilt sicherlich auch für Meisterinnen und hat im Grunde dieselbe Aussage:
Wir müssen Fähigkeiten trainieren, um sie immer besser zu beherrschen. Die wenigsten Dinge fliegen uns einfach so zu.

Ja, Lernen ist also manchmal mit ein wenig Aufwand verbunden und Lernhindernisse müssen überwunden werden.

Deshalb steht auch das Thema Wiederholung im Zentrum vieler Lernprozesse. Doch wie wiederholen wir eigentlich so, dass es wirklich zielführend ist?

Wieso eigentlich wiederholen?

Um zu erklären, wieso wir durch Wiederholung lernen, müssen wir einen ganz oberflächlichen Ausflug in die Neurowissenschaft unternehmen.

Denn gezieltes Üben verändert unser Gehirn. Es verarbeitet alle Reize um uns herum in Form von elektrischen Signalen; auch die motorische Kommunikation mit dem Körper.

Je besser die Leiterbahnen für diese Signale funktionieren, desto effektiver werden die Signale transportiert. Durch Wiederholung legen wir Verbindungen an und stärken sie, sodass Impulse besser verarbeitet werden.

Denn egal ob als Kind oder im Erwachsenenalter – das Gehirn funktioniert immer nach demselben Prinzip. Wir verstärken ständig unsere Verbindungen oder bauen ungenutzte ab. Nur legen wir eben später im Leben weniger neue Synapsen an als zuvor.

Daher behalten wir neue Dinge durch Wiederholung besser und länger, da sich die entsprechenden Synapsen stärker ausbilden. Dinge, die wir nur einmal und dann nie wieder anwenden, kategorisiert das Gehirn einfach als „unwichtig“.

Überflüssiges Wissen würde uns nur Speicherplatz auf der Festplatte blockieren.

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es nie zu spät ist, neue Dinge zu lernen. Denn unser Gehirn ist bis zu unserem letzten Tag in der Lage, neue Verbindungen anzulegen.

Somit sollte es uns nicht davon abhalten, uns in jedem Alter neue Fähigkeiten anzueignen. Denn im Prinzip passiert im Gehirn von späten Anfänger:innen genau dasselbe wie bei Frühstarter:innen. Mit jeder Übungseinheit verknüpfen sich die jeweiligen Areale des Gehirns stärker.

Egal wann man also das Klavierspielen erlernen möchte, läuft der Lernprozess ähnlich ab. Bereits nach der ersten Einheit verändern sich die Aktivitätsmuster im Gehirn und die Vernetzungen zwischen Hand- und Hörregionen werden stärker. Wenn man weiter übt, so sind diese Verbindungen nach etwa drei bis fünf Wochen stabil und dauerhaft.

Die Eigenschaft unseres Gehirns, sich immer wieder neu zu verschalten und anzupassen, nennen Forscher Plastizität. Diese Eigenschaft bleibt uns ein Leben lang – auch wenn das Maß der Anpassungsfähigkeit mit dem Alter ein wenig nachlässt.

Wiederholen ist nicht gleich Wiederholen!

Wiederholung ist also essentiell.

Doch daraus entsteht häufig eine Fehlinterpretation darüber, was Wiederholung eigentlich beinhaltet.

Denn es bedeutet nicht, dass wir dieselbe Übung 100-mal wiederholen.

Wirklich effektive Wiederholung bedeutet, dass wir neues Wissen auf vielfältige Kontexte anwenden lernen.
Zunächst eignen wir uns also eine Grundkompetenz an, die wir dann stetig erweitern und im Gehirn festigen.

Wenn wir also beim Beispiel des Klavierspielens bleiben:
Du würdest wohl kaum nur ein einziges Stück spielen lernen und für den Rest Deines Lebens nur dieses eine Stück spielen wollen.

Könntest Du dann überhaupt wirklich Klavier spielen? Oder hast Du Dir nur die eine, sehr spezialisierte Fähigkeit angeeignet, ein bestimmtes Stück zu spielen?

Vielleicht würdest Du dieses eine Stück irgendwann zur Perfektion meistern, aber dabei könntest Du Deine erlangte Fähigkeit so viel weiter ausdehnen und auf viele weitere Kontexte (=Stücke) anwenden.

Du hast sicherlich auch selbst schon einmal etwas auswendig gelernt, etwa für eine Prüfung. Eventuell hast Du denselben Inhalt dafür viele Male gelesen oder aufgeschrieben.

Doch Auswendig-Lernen ist das genaue Gegenteil von effektiver Wiederholung. Denn es geht nur um Abspeichern von Information, die dann beinahe unverändert – und auch unreflektiert – wiedergegeben wird.
Das hat wenig mit tieferem Verständnis zu tun oder einer tatsächlichen Anwendungskompetenz.

Daher ist es also grundsätzlich so wichtig, dass wir Wissen verknüpfen. Denn die beste Wiederholung liegt oft einfach in der praktischen Anwendung.

So üben wir effektiv!

Mit diesem ganzen Grundwissen im Gepäck können wir nun den Ablauf gestalten.

Im ersten Schritt lernen wir natürlich erstmal eine bestimmte Kompetenz oder erschließen einen Wissensbereich.

Mit diesem Ablauf gelingt das allgemein am besten:

  1. Einfache Übung:
    Wenn wir in eine neue Übung starten, sollte diese besonders zugänglich sein. Sonst werden Lernende schnell demotiviert. Schließlich stehen ihnen noch keine effektiven Leiterbahnen für diese Signale zur Verfügung.
  2. Übung “korrekt” ausführen:
    Wenn wir verstanden haben, worum es in einer Übung geht, können wir uns mehr auf die genaue Ausführung konzentrieren.
    Das ist wichtig, da wir durch die Wiederholung “falscher” Signale eben auch diese stärken. Dadurch wird es später schwieriger, das zu korrigieren.
    Kurzes, präzises Wiederholen ist dabei immer besser als ausgedehntes, halbherziges Lernen mit vielen Störungen.
  3. Übungen zeitlich aufteilen:
    Starke Synapsen-Verbindungen entstehen nicht über Nacht. Deshalb müssen wir durch regelmäßige Wiederholung dranbleiben. Denn so versteht unser Gehirn, dass es sich hier um wichtige, lernenswerte Inhalte handelt.
  4. Übung variieren:
    Der letzte wichtige Schritt ist nun, die Verbindungen auszuweiten und so ein ganzes Netzwerk zu stärken.
    Wenn wir uns also die Grundlagen des Themas Führungsstile erarbeitet haben, müssen wir diese auf verschiedene Szenarien anwenden – etwa in einem Rollenspiel.
    So wird nicht nur theoretisches Wissen praktischer greifbar, es wird auch breiter mit bestehendem Wissen vernetzt und kritisch reflektiert.

Die wichtigste Erkenntnis ist also:

Wiederholung ist wichtig und muss vielfältig sein, um wirklich effektiv sein zu können!

Der Sommer kommt – jetzt Lernort wechseln!

Hoffentlich ist bald endlich die Zeit gekommen, in der wir uns auf ein paar Wochen semi-stabiles Wetter verlassen können.

Mit milderen Temperaturen kommt auch meistens der menschliche Drang zum Vorschein, mehr Zeit draußen zu verbringen.

Leider scheint das für Viele im Kontrast zu ihren Verpflichtungen im Beruf und in der Weiterbildung zu stehen.

Doch können wir nicht sogar beides verbinden und könnte das vielleicht sogar noch enorme Vorteile mit sich bringen?

Die Umgebung hat Einfluss!

Lernen findet oft in designierten Räumen und an speziell dafür gedachten Lernorten statt. Denn diese haben die vermeintlich ideale Umgebung und Ausstattung.

Doch wir wissen auch, dass ein sehr wichtiger Teil von Aus- und Weiterbildung der Lerntransfer nach der eigentlichen Veranstaltung ist.

Dieser Transfer findet dann natürlich meistens außerhalb eines Seminarraums statt und der entsprechende Raum kann ein Lernerlebnis – und die Effektivität des Prozesses – immer beeinflussen.

Auch wenn wir uns das wünschen würden: Oftmals befinden sich unsere Lernenden nicht gerade am idealen Lernort, wenn sie sich nach der Veranstaltung mit dem neuen Wissen auseinandersetzen.

Im beschäftigten Arbeitsalltag, neben verschiedenen Verpflichtungen oder abends zwischen den Kindern – Ablenkungen für den erfolgreichen Transfer gibt es genügend.

Die „Gefahr“ ist hier dann, dass wir schnell in alte Muster zurückfallen, da wir zu sehr beansprucht werden, um uns auf neues Wissen zu konzentrieren.

Auch die Lernumgebung selbst ist bei den meisten Menschen im häuslichen Umfeld nicht speziell darauf ausgerichtet. Es ist entweder ein eher improvisierter Lernort oder eine Umgebung, die das Gehirn auch mit vielen anderen Dingen verknüpft.

Das spielt dann natürlich gerade beim Online-Lernen eine Rolle und ist ein Faktor, der für Lernbegleiter:innen nur schwierig zu kontrollieren ist. Daher sollten wir immer auch Tipps an die Hand geben, wie ein Lernort angenehmer wird.

Dabei kann es durchaus auch sehr individuelle Präferenzen geben. Es sollen sogar Menschen existieren, die vollkommen unbeeindruckt von einem Chaos im Raum um sie herum am besten lernen.

Es sollte also das Ziel sein, den Lernenden bei der Identifizierung einer lernförderlichen Umgebung zu helfen – wie immer diese nun auch konkret für sie aussehen mag.

Einfach mal rauskommen

Okay, einfach mal woanders lernen. Aber wohin eigentlich gehen?

Von einer Parkbank bis zum Kunstmuseum – je nachdem, welche Lernorte als persönlich wertvoll wahrgenommen werden oder zu den Inhalten passen. In dieser Vielfalt liegt auch die Chance, verschiedene Lernimpulse oder persönliche Lieblingsorte zu finden.

Denn wenn wir uns wohlfühlen, lernen wir am besten.

Zudem finden wir an Orten in der Natur normalerweise besonders viel Ruhe und je nach Wahl weniger Ablenkung. Wenn uns zuhause oder im Büro also die Decke auf den Kopf fällt, kann ein solcher Lernort eine willkommene Abwechslung sein.

Wenn Teilnehmende beispielsweise im häuslichen Umfeld wenig Ruhe finden, kann eine ausgelagerte Einheit ein wichtiger Ausgleich sein – sofern in ihrem Rahmen möglich, natürlich.

Zudem kann hier das genaue Gegenteil zum Lerntransfer am Arbeitsplatz eintreten: Die Distanz zur üblichen Umgebung kann manchmal ebenso das Lernen beflügeln wie die Nähe. So können wir die Inhalte noch einmal ganz losgelöst betrachten und reflektieren.

Tipps zum Lernen „draußen“:

  • Ruhige, entspannte Orte (evtl. mit geeigneter Sitzmöglichkeit) finden
  • Gezielt für Lerneinheiten nutzen, die wenig Material benötigen
  • Entweder Lieblings-Lernorte finden und regelmäßig zum Lernen aufsuchen oder bewusst Impulse variieren

Was ist mit den Ablenkungen?

Wenn es um alternative Lernorte geht, kommt immer schnell der Einwand der möglichen Ablenkungen.

Zunächst einmal würden wir offensichtlich niemandem empfehlen, sich neben eine aktive Baustelle zu setzen. Es sei denn, jemand empfindet dies aus persönlichen Gründen als lernförderlich – hier wären wir wieder bei den individuellen Präferenzen, die es zu ergründen gilt.

Zu einem gewissen Punkt ist dieser Einwand aber sicher berechtigt – nicht alle Menschen können äußere Einflüsse gut ausblenden oder produktiv verarbeiten.

Letzteres kann allerdings tatsächlich ein Vorteil von verschiedenen Lernorten sein, wenn wir uns darauf einlassen können.

Wir können die Umgebung bewusst als Verknüpfungspunkt für das Lernen verwenden.

Da die Eindrücke und Impulse eventuell sehr anders sind als in unserem Alltag, können wir neues Wissen später damit verbinden.

Wir können auch spezielles Lernmaterial nutzen, dass sich etwa für einen Spaziergang eignet. Also zum Beispiel einen Podcast oder anderes Audiomaterial, das wir uns in Bewegung anhören können.

Und das Beste am Lernen in der Natur: Die Pausen sind direkt organisch mit eingebaut!

Denn wir sind im besten Fall ja bereits an einem entspannenden Ort, den wir auch zum Pausieren und Reflektieren nutzen können. Denn Lernpausen sind im Übrigen ebenso wichtig wie die eigentlichen Einheiten – das erklären wir zum Beispiel >>hier genauer.

Kennst Du einen vielleicht eher ungewöhnlichen Lernort, der besonders effektiv ist? Welchen Lernort nutzt Du persönlich gerne?

So ruinierst Du einen Fragebogen!

Eventuell denkst Du jetzt noch:
“Vermutlich kein Titel, den ein hilfreicher Artikel tragen sollte.”

Denn Du möchtest vermutlich eher wissen, wie ein guter Fragebogen aussieht.

Wie es der Zufall will, haben wir vor ein paar Wochen >>einen Artikel darüber geschrieben, wie ein solcher Fragebogen aussehen kann.

In diesem Artikel hatten wir allerdings ebenfalls das Thema Verzerrungseffekte angerissen und gefragt, ob ihr dazu einen eigenen Beitrag sehen wollen würdet.

Denn diese Phänomene bieten tatsächlich genügend Material und hätten an der Stelle einfach zu weit geführt.

Nachdem wir von Euch die entsprechende Resonanz bekommen haben, kommt hier nun also der zweite Teil, bei dem sich alles darum dreht, wie man gute Fragen aus Versehen ruinieren kann:

Das Hauptproblem: Voreingenommenheit

Ergebnisverfälschungen passieren bei Umfragen und empirischen Erhebungen sehr häufig.

Die Ursache lässt sich in den allermeisten Fällen auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen: Den Menschen!

Um genauer zu sein, auf die Voreingenommenheit des Menschen. Denn wir sind oftmals nicht so gut in Sachen Objektivität, wie wir annehmen.

Das gilt im Übrigen auch für die Befragten. Auch sie sind zu einem gewissen Grad von ihrer Voreingenommenheit belastet und können durch ihr Antwortverhalten die Ergebnisse verfälschen.

Kleine Fehler schleichen sich schnell ein und sind in den meisten Situationen sogar vollkommen unbeabsichtigt. Sie resultieren einfach aus der Tatsache, dass uns totale Objektivität schwer fällt.

Denn schließlich führen wir Befragungen meistens zu Themen durch, über die wir eine Menge wissen oder die uns persönlich angehen. Beide Faktoren können dazu führen, dass wir die Fragen unbewusst suggestiv stellen.

Wir haben Hypothesen, Antworten, die uns wahrscheinlich erscheinen oder Antworten, die wir uns wünschen würden. Von all diesen müssen wir uns so weit wie möglich lösen und die Fragen neutral und wertungsfrei formulieren.

Diese 5 Fehler bei der Frageformulierung oder dem Design führen dabei besonders häufig zu Messfehlern:

Die Tendenz zum “Ja-Sagen”

Wenn unsere Feedback-Ergebnisse insgesamt sehr einstimmig positiv ausfallen, können wir uns erst einmal freuen.

Im nächsten Schritt sollten wir uns aber auch fragen, ob bei unserem Fragebogen-Design eventuell die Nuancen gefehlt haben.

Die Zustimmungstendenz kann von einigen Faktoren ausgelöst werden.

Einerseits ist es der urmenschliche Drang nach Konformität. Wir sind gerne höflich und geben freundliches Feedback – vor allem, wenn uns im Grunde nicht viel gestört hat oder wir etwa mit der Lehrperson sehr vertraut sind.

Trotzdem hätten wir vielleicht einige, kleinere Verbesserungsvorschläge gehabt, die durch mangelnde Nuancierung verloren gehen.

Ermutige die Teilnehmenden immer zu Ehrlichkeit und konstruktiver Kritik und beeinflusse durch die Fragestellung ihre Meinung nicht in eine bestimmte Richtung.

Deshalb ist es auch grundsätzlich immer wichtig, dass wir Antworten auf einer breiteren Skala als nur Ja/Nein erheben. Auch einige offene Fragen können das Bild abrunden.

Die Tendenz zur Mitte

Da wir gerade von Skalen sprechen: Eine der häufigsten Antwortverzerrungen entsteht durch die Tendenz zur Mitte.

Wenn Du also neben den zwei Extrema noch eine mittlere Option hinzufügst, werden sich wahrscheinlich viele Befragte aus Prinzip hier einpendeln.

Denn tatsächlich “fürchten” sich viele Menschen vor den Antwortoptionen an beiden Enden. Um diesen Effekt abzuschwächen, sollten wir dafür sorgen, dass es bei einer Skala keine Mitte gibt.

Die Anzahl der möglichen Antworten sollte also immer gerade sein. Denn so müssen Befragte eine tatsächliche Tendenz zu einer Meinung entwickeln und können nicht prinzipiell die vermeintlich sicherste Antwort geben.

Denn diese wählen sie im Übrigen oft auch, wenn sie eigentlich gar keine wirkliche Meinung haben. Aus diesem Grund solltest Du darüber hinaus auch grundsätzlich keine Antworten erzwingen.

Erzwungene Antworten sind meistens ohnehin von einem oder sogar mehreren Verzerrungseffekten belegt und daher als Ergebnis wenig wertvoll. Sorge lieber durch ein durchdachtes Fragebogen-Design dafür, dass sich Teilnehmende natürlich zum Antworten ermutigt fühlen.

Primacy/Recency Bias

Diese Verzerrungseffekte werden vor allem durch die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten hervorgerufen.

Primacy Bias bedeutet, dass die ersten Optionen mit höherer Wahrscheinlichkeit gewählt werden – vor allem, wenn die Frage sehr umfangreich ist und es viele Möglichkeiten gibt. Denn dann ermüden Teilnehmende schnell und befassen sich eventuell nicht ausreichend mit allen.

Recency Bias entsteht dadurch, dass die zuletzt gelesenen Antworten am stärksten im Gedächtnis bleiben und damit einprägsamer sind.

Beide Effekte lassen sich teilweise dadurch einschränken, dass die Antwort-Reihenfolge automatisch variiert wird. Über moderne Online-Tools ist das normalerweise problemlos möglich, denn es handelt sich hier um ein sehr bekanntes Phänomen.

Diese Rotation kann ausgleichend wirken. Gleichzeitig sollten wir aber auch das eigentliche Auftreten dieser Verzerrungen dadurch minimieren, dass wir Antwort-Optionen in vernünftigen Grenzen halten.

Füge lieber noch eine offene Option hinzu, bei der Befragte eine eigene Antwort geben können. Über das “Sonstige: ____” Feld deckst Du tatsächlich häufig Antworten auf, die Du nicht bedacht hattest.

Wenn dieses Feld bei einer Frage besonders häufig ausgefüllt wird, solltest Du sehr genau hinschauen. Denn hier haben Deine Befragten offenbar Redebedarf oder Bedürfnisse, die noch nicht ausreichend berücksichtigt werden!

Soziale Erwünschtheit

Dieser Verzerrungseffekt ist vor allem für Dich relevant, wenn Du mit sensibleren oder persönlichen Themen umgehst.

Wir haben bereits die Tendenz des Menschen zur Konformität erwähnt. Soziale Erwünschtheit geht noch einen Schritt weiter.

Hier geht es nicht mehr nur um Höflichkeit, sondern auch um die eigene Selbstdarstellung. Das führt dazu, dass Menschen Fragen so beantworten, wie sie es für erwartet halten – unabhängig davon, ob das ihrer eigenen Meinung oder Realität entspricht.

Schritt 1 für möglichst unverzerrte Antworten sollte natürlich ohnehin immer die Zusicherung der Anonymität sein.

Doch auch die Frageformulierung ist hierfür besonders wichtig. Versuche wirklich, keine Antwort zu suggerieren oder erwünschtes Verhalten nahezulegen.

“Faking” und/oder Unseriosität

Der Vollständigkeit halber müssen wir noch erwähnen, dass Antwortverfälschungen auch einfach durch die Befragten entstehen können.

Sie können sich als Menschen natürlich bewusst dazu entscheiden, ihre Antworten auf ein bestimmtes Ziel hin zu verändern. Vielleicht fürchten sie unterbewusst auch negative Konsequenzen, da sie nicht genügend auf die Anonymität vertrauen.

Es kann auch sein, dass sie einfach “keinen Sinn” in der Befragung sehen oder in diesem speziellen Moment keine Lust haben. Dann kreuzen sie wahllos an, um einfach fertig zu werden. Solche Ergebnisse sind für die eigentliche Auswertung selbstverständlich wertlos.

Der Tipp zum Abschluss

In den meisten Fällen, wie bei einem Feedback-Bogen, wirst Du es vermutlich nicht mit riesigen Datensätzen zu tun haben.

Deshalb kannst Du es Dir vermutlich leisten, das Antwortverhalten der Einzelnen genauer zu analysieren. So kannst Du oftmals erkennen, ob sich Verzerrungen oder Tendenzen eingeschlichen haben könnten.

Denn ähnlich wie die Tendenz zur Mitte gibt es im Übrigen auch sogenannte Härte-oder Milde-Fehler. Denn auch wenn die Mehrheit der Menschen eher zur Mitte tendiert, gibt es genauso einzelne Menschen, die zu den Extrema tendieren.

Wenn Du Dir daher individuelle Verhaltenstrukturen anschaust, kannst Du solche Muster schnell aufdecken. Du kannst auch sehen, ob das Antwortverhalten konsistent ist.

Auf dieser Basis kannst Du besser bewerten, welche Ergebnisse wirklich aussagekräftig sind und welche unter Umständen verzerrt/verfälscht worden sind. Hoffentlich hast Du aber durch ein durchdachtes Design bereits dafür gesorgt, dass die Verzerrungen auf ein Minimum reduziert wurden!

Wieso steigen gerade so viele Lehrende aus dem Beruf aus?

Jede vierte Lehrkraft würde den Beruf wechseln, wenn sie könnte.

Das hat dieses Jahr eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung unter Lehrenden an allgemein- und berufsbildenden Schulen ergeben.

Ein ganz schöner Hammer – und die Zahlen werden vermutlich so schnell nicht kleiner.

Auch wenn wir hier typischerweise nicht über den klassischen Schulbetrieb sprechen, werfen Ergebnisse wie diese einen Scheinwerfer auf das gesamte Bildungssystem.

Denn ein Berufswechsel ist schließlich keine Entscheidung, die Menschen generell aus einer Laune heraus treffen, da dies ihr ganzes Leben beeinflussen kann.

Was treibt also aktuell so viele Lehrende aus dem Beruf heraus?

Der Klassiker

Das Offensichtliche zuerst:

Es herrscht seit einiger Zeit an vielen Stellen ein extremer Mangel an Lehrkräften. Das natürliche Resultat ist Überarbeitung und eine mangelnde Qualität der Lernbegleitung.

Der Lehrermangel bedeutet für alle existierenden Kräfte, dass sie kontinuierlich die Last mehrerer tragen müssen.

Wir haben beispielsweise bereits >>hier vor Kurzem erst darüber gesprochen, dass gerade auch Lehrende ohnehin gefährdet sind, wenn es um psychische Erkrankungen wie Burnout geht.

Denn Lehren ist schließlich ein Kontaktberuf, der eine hohe psychosoziale und emotionale Belastung mit sich bringen kann. Dieser Umstand wird natürlich durch den Mangel an Lehrkräften nur noch verstärkt.

Kurzum: Viele Lehrende haben einfach nicht mehr das Gefühl, dass sich ihr Beruf auszahlt – denn die psychischen Kosten werden immer höher und die berufliche Erfüllung bleibt auf der Strecke.

Wir können ein Gefühl der Resignation eine Weile aushalten oder versuchen, etwas zu verändern. Aber früher oder später kommt der Punkt, an dem die Zustände nicht mehr tragbar werden.

Denn eine berufliche Überlastung wirkt sich schließlich im nächsten Schritt auf weit mehr als nur den Beruf aus!

Eine große Wertekrise

Natürlich sind also viele Lehrende sehr überanstrengt.

Doch es gibt in der Konsequenz einige innere Konflikte, die bei vielen noch stärker wiegen. Denn schließlich ergreifen die meisten Lehrenden ihren Beruf aus einer Leidenschaft für das Lernen und Lehren heraus.

Doch wenn es ständig an allen Stellen brennt, kann man den eigenen Ansprüchen an Lernprozesse nicht mehr genügen.

Überlastete Menschen können nur noch schwierig bis gar nicht effizient planen, kreativ denken oder teilnehmerorientiertes Lernen anbieten. Es fehlt in vielen Fällen auch einfach die Zeit dazu – und so muss oftmals auf “Bewährtes” zurückgegriffen werden.

Dieses Dilemma belastet eine Menge Lehrkräfte und führt zu immer mehr psychischer Belastung. In der Folge steigen immer mehr ganz aus dem Beruf aus.

Dieser Fakt macht das System insgesamt natürlich nur immer schwächer und viele weitere Lehrende erreichen ihre persönlichen Grenzen.

Denn die meisten Lernbegleiter:innen sind wohl von Natur aus kreative, motivierte Menschen. Sie gehen darin auf, Methoden und Inhalte zu entwerfen. Wenn all das immer mehr austrocknet, steigt die Unzufriedenheit exponentiell.

Überforderung mit den Bedingungen

In der modernen Bildungslandschaft gibt es eine Menge Faktoren, die Lehrende fordern.

Für viele werden diese Anforderungen teilweise einfach zu groß. Die klassische Lehrerausbildung bereitet beispielsweise oftmals überhaupt nicht auf die realen Bedingungen vor.

Da ist einerseits die Digitalisierung. Einige Lehrkräfte haben das Gefühl, dass sie mit den Neuerungen und den erforderlichen Kompetenzen nicht mehr Schritt halten können – oder möchten.

Andererseits werden viele Lerngruppen immer heterogener. Die Voraussetzungen sind manchmal so unterschiedlich, dass Lernbegleiter:innen keine gemeinsamen Nenner finden können.

Wir identifizieren auch immer mehr Förder- und Inklusionsbedarfe, die in vielen Fällen nicht ausreichend bedient werden können.

Auch das scheitert nicht am guten Willen oder der Bereitschaft, mit diesen zu arbeiten. Es fehlt Lehrenden einfach an verschiedenen Ressourcen, um wirklich individuell auf Lernbedarfe einzugehen und die Gruppe in gleichem Maße zu stärken.

Negative Erfahrungen mit Führungsetage

Ein weiterer Grund, der bei einem Berufsausstieg häufig angeführt wird, sind schlechte Erfahrungen mit dem System an sich.

Viele Lehrende fühlen sich von ihren Schulen, Bildungsträgern etc. einfach mit der belastenden Situation alleine gelassen. Es gibt zu wenig greifbare Ansprechpartner:innen, die wirklich helfen können.

Lehrkräfte bekommen daher wenig Unterstützung oder können ihre Vorschläge nicht produktiv einbringen. Auf Dauer führt das zu großer Unzufriedenheit.

Es gibt sicher daher auch Einige, die vor einem kompletten Ausstieg erst einmal den Schritt in eine Selbstständigkeit wagen. Denn so erhoffen sie sich mehr Unabhängigkeit und den Gestaltungsfreiraum, den sie so sehr vermissen.

Natürlich kommt ein solcher Schritt mit neuen Herausforderungen, aber es kann eine Zwischenlösung sein, um zumindest vorerst aus dem Hamsterrad auszusteigen.

Eine ehrliche Unterhaltung

Die Chance ist hoch, dass Du Dich selbst als grundsätzlich zufriedene Lehrkraft mit einem dieser Punkte identifizieren kannst.

Oder vielleicht kennst Du diese Dinge aus der Vergangenheit, da sie Dich selbst zu einer Veränderung bewegt haben.

Daher fragen wir an dieser Stelle ganz offen:

  • Wo siehst Du aktuell die größten Belastungen in der Lehre?
  • Welchen Grund hältst Du für ausschlaggebend, dass so viele Lehrkräfte den Beruf wechseln würden?
  • Welche dieser Gefühle kennst Du aus eigener Erfahrung oder hast Du beobachtet?
  • Hast Du in der Vergangenheit mit dem Gedanken eines Berufswechsels gespielt oder tust das vielleicht sogar aktuell?

Wir freuen uns, wenn Du ein paar persönliche Erfahrungen teilen möchtest!