Bedarfsgerechtes Lernen – Wirklich nötig?

Menschen sind verschieden – so weit sind wir uns vermutlich einig.

Ausgehend davon sind natürlich auch ihre Lernbedürfnisse ganz unterschiedlich. Auch in diesem Punkt sind sich vermutlich die meisten Weiterbildner:innen einig, da sie es jeden Tag in der Praxis sehen.

Es ist also eigentlich ein logischer Schluss, das bedarfsgerechtes Lernen immer wichtiger wird. Dennoch haben einige Pädagog:innen immer noch Zweifel, ob sich der ganze Aufwand der Individualisierung überhaupt lohnt.

Doch wieviel Aufwand ist es für uns überhaupt tatsächlich? Und welche Vorteile können wir den Lernenden tatsächlich realistisch verschaffen?

Wir schauen uns heute einmal an, was bedarfsgerechtes Lernen eigentlich bedeutet und aus welchen Gründen wir uns darum bemühen sollten:

Was und wieso überhaupt?

Es gibt mittlerweile einige trendige Begriffe, die alle einen ähnlichen Ansatz beschreiben. Aber egal, ob wir es nun bedarfsgerechtes, personalisiertes oder adaptives Lernen nennen – ein Gedanke steht im Zentrum:

Lernen muss individuell anpassbarer werden. Denn Lerngruppen – gerade in der Erwachsenenbildung – werden tendenziell immer heterogener und daher müssen wir als Lernbegleiter:innen darauf reagieren.

Im Übrigen sind heterogene Gruppen zwar manchmal herausfordernd, aber vor allem fördern sie auch buntes, fruchtbares Lernen. Aber natürlich nur, wenn wir dieses Potenzial auch nutzen – wir haben >>hier bereits einmal genau erläutert, wieso Heterogenität keinesfalls ein Lernhindernis sein muss.

Wieso bedarfsgerechtes Lernen eine gute Idee ist, fasst diese Grafik meiner Meinung nach besonders anschaulich zusammen:

Grafik: Valamis

Nicht alle Lernenden müssen oder wollen jede denkbare Station eines Lernprozesses durchlaufen. Im Gegenteil – wenn wir Lernende mit viel Vorwissen zu jeder kleinen Extra-Aufgabe verdonnern, nehmen wir ihnen sicherlich eher die Motivation.

Dabei wäre hier noch eine Differenzierung denkbar: Man kann beispielsweise größere Knotenpunkte definieren, an denen sich immer alle Teilnehmer:innen treffen, aber die kleineren Stationen teilweise individuell wählbar sind.

Mittlerweile musst Du sogar diese Personalisierungen im Lernweg gar nicht mehr selbst übernehmen oder den Lernenden überlassen – es entwickeln sich immer mehr digitale Lösungen, die ganz dynamisch auf die Bedürfnisse der Lernenden reagieren können.

Mehr zum Konzept des adaptiven Lernens mit digitaler Unterstützung kannst Du auch in >>unserem Artikel zu diesem spannenden Thema lesen.

4 gute Gründe für bedarfsgerechtes Lernen

Lernende haben also ganz sicher verschiedene Lernbedarfe, doch welche Punkte können wir mit einem anpassbaren Ansatz besonders verbessern?

Diese Aspekte des Lernprozesses sorgen oftmals für Unterschiede und Demotivation in einer Lerngruppe und können daher mit bedarfsgerechtem Lernen besser ausgeglichen werden:

1. Lerntempo

Das Lerntempo ist eine der größten Klüfte, die eine Lerngruppe voneinander trennen kann. Denn das Lerntempo hängt von vielen individuellen Faktoren und auch dem Vorwissen ab.

Bereits in der Grundschule entstehen hier teils gewaltige Unterschiede, in der Erwachsenenbildung werden sie sogar noch größer. Daher ist es für eine als Einheitsgröße angelegte Veranstaltung sehr schwierig, alle Lernenden gleichzeitig mitzunehmen.

Abhilfe können hier Selbstlern-Inhalte oder -Phasen schaffen, auf die Teilnehmer:innen zu jeder Zeit zugreifen können. So können sie eigenständig wiederholen, so oft und so detailliert wie sie es individuell benötigen und ohne das Gefühl, andere Lernende damit „aufzuhalten“.

Das Schöne daran ist, dass Dir dieser Faktor keinen extra Aufwand bereitet, aber für die Lernenden viel bedeuten kann. Du musst einfach nur Deine Inhalte auf einer einfach zu nutzenden Plattform bereitstellen und die Teilnehmenden können die für sie relevanten Inhalte selbst heraussuchen.

Im Grunde kann es Dir sogar oftmals langfristig Aufwand ersparen, da Du diese Inhalte dann ganz einfach für jeden weiteren Kurs verwenden kannst.

2. Zeitplan

Eine digitale Plattform und (ergänzende) Selbstlern-Inhalte haben sogar noch einen weiteren Vorteil: Die Lernenden können das Material ganz flexibel zu ihrer besten Zeit bearbeiten.

Denn auch das ist ein großer Faktor, der individuelle Lernwege nötig machen kann. Jeder Erwachsene ist anders eingespannt und manchmal verlieren wir Lernende an ihre persönlichen oder beruflichen Umstände.

Das hätte sich vielleicht vermeiden lassen, wenn sie die Inhalte flexibler in ihren Alltag integrieren könnten.

3. Den besten Kanal einstellen

Die Grafik oben hat bereits einen besonders wichtigen Punkt angesprochen: Lernende haben unterschiedliche Bedarfe und „brauchen“ nicht zwingend alle Inhalte oder Übungen.

Doch in einem flexiblen Konzept mit vielfältigen Unterlagen können sie auch auf Basis verschiedener Lernkanäle Anpassungen vornehmen.

Mittlerweile sind Theorien zu „Lerntypen“ ja ein wenig mit Vorsicht zu genießen, aber trotzdem können die meisten Menschen wohl für sich persönliche Präferenzen benennen.

Und ja, dieser Punkt bedeutet auf jeden Fall mehr Aufwand als die Einheitslösung. Aber Abwechslung hilft insgesamt ohnehin allen Lernenden, aber sorgt auch dafür, dass sie entsprechend ihrer Vorlieben gewichten können.

Wenn sie die Inhalte leichter aufnehmen, oder es ihnen mehr Spaß macht, bleiben sie länger motiviert.

4. Differenzierung und Tiefe

Auch das kennst Du sicherlich aus der Praxis: Eine Aufgabe kann einen Lernenden langweilen, während der andere schon überfordert ist, da ihm die Basics noch fehlen.

Je offener Lernwege und Aufgabenstellungen sind, desto besser können alle Lernenden den Prozess an ihre Voraussetzungen anpassen.

Sie werden so ganz automatisch entscheiden, wie sehr sie mit der Aufgabe in die Tiefe gehen können oder möchten. Das setzt die Teilnehmer:innen mit weniger Vorwissen nicht so unter Druck und gibt den schnelleren genug Raum.

Wenn wir weniger einschränken und vorgeben, können die Lernenden ihre bevorzugten Bearbeitungsmethoden finden. So entsteht auch beispielsweise bei Präsentationen eine schöne Vielfalt, bei der die Gruppe auch noch viel voneinander lernen kann.

Fazit: Was ist umsetzbar?

Einleitend haben wir uns ja gefragt, wieviel bedarfsgerechtes Lernen wirklich realistisch umsetzbar ist.

Und vermutlich hast Du schon jetzt festgestellt, dass einige Aspekte gar nicht so kompliziert oder aufwändig sein müssen.

Zwei Faktoren möchten wir noch einmal hervorheben, da sie bereits viel bewirken können und im Prinzip für alle Lernbegleiter:innen implementierbar sind:

  • Digitale Plattform zum flexiblen, individuellen Bearbeiten und Wiederholen
  • Weniger verpflichtend, mehr auf Knotenpunkte setzen

Grundsätzlich baut ein bedarfsgerechtes Konzept auch darauf auf, dass wir den Lernenden mehr Eigenverantwortung und Freiraum im Lernprozess einräumen.

Denn gerade im Vorfeld kannst Du kaum wissen, welche Bedarfe die Teilnehmenden haben werden. Je weniger Einschränkungen Du also bei der Planung einbaust, desto dynamischer wirst Du auf die Gruppe reagieren können!