Ein großes Manko vieler Bildungsangebote ist die fehlende Praxisnähe.
Das ist bekannt – aber wie können wir das überhaupt ändern?
Wir stellen genau deshalb hier regelmäßig verschiedene handlungsorientierte Methoden vor, wie zuletzt etwa Planspiele.
Auch das projektbasierte Lernen haben wir auf diesem Blog bereits einmal angerissen – und zwar Ende letzten Jahres bei den Lerntrends für 2022.
Denn viele Lernbegleiter:innen realisieren mittlerweile, wie wertvoll auf Projekten aufgebaute Lernprozesse sind.
Das liegt vor allem auch daran, dass wir über Projekte einen ganz direkten und aktuellen Praxisbezug schaffen können.
Wie sieht ein gutes Projekt aus?
Ein Projekt definieren wir als eine Arbeitsform, in der Lernende eine gestellte Aufgabe innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums bearbeiten und am Ende ein praktisches Ergebnis vorstellen, etwa in Form einer Präsentation.
Wie komplex die jeweilige Problemstellung ist, liegt dabei in Deiner Hand und wird entsprechend an die Lerngruppe und ihren Wissensstand angepasst.
Hinzu kommt bei vielen Projekten noch der Team-Aspekt, da sie sich ideal als Gruppenarbeit eignen – zu diesem Aspekt kommen wir gleich noch ausführlich!
Egal welchen inhaltlichen Ausgangspunkt Du für Dein Projekt wählst, wichtig sind folgende Aspekte.
Das Projekt soll
- Ein authentisches, praxisrelevantes Szenario beschreiben
- Unterschiedliche Bearbeitungsweisen erlauben
- Im Ergebnis grundsätzlich so offen wie möglich sein
Diese letzten Eigenschaften von Projektarbeit sorgen auch dafür, dass die Präsentationsphase im Anschluss wesentlich interessanter ausfällt.
Denn Du und die Lernenden müssen sich nicht fünfmal dieselben Fakten in verschiedenen Ausführungen anhören.
Außerdem ist es für Teilnehmer:innen immer gut zu sehen, wie andere Gruppen eine Aufgabe bearbeitet haben, um noch zusätzliche Erkenntnisse mitzunehmen.
Bei Projekten ist die Nachbesprechung besonders wichtig. Denn da die Ausgangspunkte und Ergebnisse so verschieden sein können, sind auch die Erfahrungen unterschiedlich.
Erfrage im Anschluss auf jeden Fall, wie die Projektarbeit ablief und wo die Hürden lagen.
Was Projektarbeit leisten kann
Inhalte sind immer eine Sache, aber wenn eine Methode auch noch vielfältige Kompetenzen fördern kann, ist sie gleich noch wertvoller.
Und Projektlernen kann wirklich eine große Breite an Fähigkeiten vermitteln, die für Erwachsene in ihrem Berufsalltag unverzichtbar sind.
Denn Projektlernen heißt immer auch Projektmanagement.
Das kommt schließlich auch der Gestaltung eines Arbeitslebens wesentlich näher als isoliertes Faktenwissen. Viele Menschen arbeiten grundsätzlich in mittel- bis langfristigen Projekten, die Planung und Organisation erfordern.
Genau aus diesem Grund kann Projektlernen so wirksam sein:
Es entfernt die Teilnehmer:innen nicht aus ihrem gewohnten Umfeld und setzt sie in praxisferne Lernkontexte, sondern knüpft an die Realität an – sowohl methodisch als auch inhaltlich.
Darüber hinaus fördern Projekte weitere wichtige Fähigkeiten:
Teamwork
Da sich Projekte sehr für Gruppenphasen empfehlen, spielt die Gruppendynamik immer eine Rolle.
Im Gegensatz zu einer 20-minütigen Kleingruppenarbeit erfordert ein Projekt aber noch viel mehr Koordination und Kooperation.
Das bedeutet, die Lernenden müssen wirklich zusammenarbeiten und sich absprechen. Jedes Team-Mitglied muss Verantwortung übernehmen und sich sowohl selbst als auch in der Gruppe organisieren.
Daher ist es übrigens eine gute Idee, wenn die Teams eine dauerhafte Kommunikationsmöglichkeit haben, wie ein Forum auf der Lernplattform oder eine Chat-Gruppe.
Ergebnis offen
Die Offenheit einer Projektarbeit ist mit die größte Stärke der Methode. Denn wenn es kein „richtig oder falsch“ gibt, liegt der Fokus viel mehr auf dem Lernprozess an sich.
Der Weg ist das Ziel und auf diesem Weg bleibt viel Raum für Individualität und kreative Problemlösung.
Das fördert auch besonders die Selbstständigkeit der Teilnehmer:innen in einem Lernprozess.
Direkter Bezug
Manchmal begreifen wir Theorie und Praxis als zwei verschiedene Paar Schuhe. Dabei ist Wissen, das nur im Gehirn Staub ansetzt, wohl kaum sinnvoll.
Daher stellt ein Projekt gleich zu Beginn einen klaren Anwendungsbezug her. Die Teilnehmer:innen erwerben neues Wissen in direkter Verbindung zur praktischen Anwendung.
Durch den verlängerten Zeitraum einer Projektarbeit bleibt den Lernenden auch ausreichend Zeit, um diese Verbindungen herzustellen. Sie können ihr neues Wissen direkt kontextualisieren und nicht irgendwelche Zahlen und Fakten in eine staubige Kiste im Hinterkopf abheften.
Das bedeutet, das Gelernte bleibt viel besser haften und die Frage nach dem Sinn kommt gar nicht erst auf.
Ein Beispiel-Projekt
Schauen wir uns doch am besten einmal ein kleines Projekt exemplarisch an.
Diese Projekt-Aufgabe wendet Andrea regelmäßig im Rahmen einer mehrmonatigen Schulung für digitale Kompetenz an.
Da die Zielgruppe hier häufig Menschen mit ausbaufähiger digitaler Kompetenz ist, steht die Projektarbeit nicht ganz am Anfang und auch in der entsprechenden Sitzung gibt es noch etwas einleitenden Input zum Thema Online Recherche.
Dieses Projekt erstreckt sich dabei etwa über einen Seminartag und kann je nach Wahl als Einzel- oder Gruppenprojekt angelegt werden. Da in diesem Fall die Medienkompetenz jedes Einzelnen wirklich praktisch geschult werden soll, bietet sich eben auch die Einzelarbeit an.
Die Aufgabe
- Plane eine Reise mit der Lerngruppe an einen Ort Deiner Wahl, inklusive Verkehrsmittel für die An- und Abreise, Hotel und Aktivitäten vor Ort
- Erstelle eine Präsentation, die alle recherchierten Details zur Reise (Preise, Bilder etc.) enthält
Was geübt wird:
- Gezielt im Internet recherchieren
- Online-Informationen bewerten und vergleichen
- Planung und Organisation
- Umgang mit digitalen Medien und gängigen Software-Programmen wie etwa PowerPoint
- Präsentationen informativ und ansprechend gestalten, sowie halten
Wie Du siehst, ist die inhaltliche Aufgabe des Projektes gar nicht so wichtig, denn die Reise ist natürlich rein fiktiv.
Aber die Lernenden haben so ein greifbares (Lern)Ziel vor Augen und die Aufgabe erscheint gleich anwendbar. Was sie lernen sollen, ist etwas, dass sie auch demnächst in ihrem Alltag anwenden könnten.
Denn Informationen im Internet zu finden und Präsentationen zu erstellen sind beispielsweise zwei wichtige Kompetenzen im Umgang mit Medien. Das Projekt vereint so viele kleinere und größere Lernerlebnisse und verpackt sie in realitätsnahen Rahmenbedingungen.
Du kannst ein Projekt immer in Umfang und Komplexität anpassen. In diesem Fall gehörte zum Original-Projekt beispielsweise noch die vorgeschaltete Aufgabe, eine Online-Umfrage für die Gruppe zu erstellen und sich gemeinsam auf ein Verkehrsmittel zu einigen.
Je nachdem auf welchen Kompetenzen und Inhalten also Dein Fokus liegt, kannst Du das Projekt vereinfachen oder weitere Einzelschritte hinzufügen.