Wie man verhindert, dass man seine Teilnehmer nach dem Online-Seminar aufwecken muss
Gerade stehe ich wieder vor der Herausforderung ein Online-Seminar vorzubereiten. Den Auftrag zum Thema: Social Media für Projekt- und Teamassistenten habe ich heute erhalten. Eigentlich ist das ja nicht mein Spezialgebiet, aber was tut man nicht für eine erkrankte Kollegin. Das Gute daran ist, das wirst Du sehr gut nachfühlen können, die Inhalte sind weitgehend vorhanden. Sicher werde ich das Ein oder Andere anpassen müssen, denn – hier liegt der Haken- bisher ist dieser Teil nur im Präsenzunterricht ausgebildet worden. Also, wie plane ich ein Online-Seminar?
Schritt 1 Zielgruppe klären
Meine Zielgruppe sind Teilnehmer*innen einer Maßnahme des Jobcenters zur Wiedereingliederung in das Berufsleben. Die Gruppe besteht aus 25 Teilnehmer * innen. Sie sind zwischen 35 und 45 Jahre, eine Teilnehmerin ist über 50 Jahre. Die Teilnehmer*innen haben kaufmännisches Vorwissen, müssen allerdings hier auf einen offiziellen Abschluss hinarbeiten. Das heißt auch, dass die Teilnehmer*innen sich gut kennen, aber es gibt keine Spannungen wegen irgendwelcher Hierarchie Themen. Die Gruppe ist trotz allem so heterogen wie man sie sich als Berufspädagogin wünscht.
Schritt 2 Lernziele bestimmen
Was sollen die Teilnehmer*innen nach den drei Tagen wissen, bzw. (besser) können? Wozu sollen sie befähigt sein oder gibt es Verhaltensänderungen die gewünscht sind?
In den drei Tagen sollen die Teilnehmer/innen ein Grundwissen über die unterschiedlichen Social-Media-Kanäle erhalten.
Sie sollen lernen welcher Kanal für welche Zielgruppe sinnvoll ist und wie man Social Media für die Unternehmenskommunikation nutzen kann. Mehr Informationen habe ich gerade vom Kunden nicht bekommen.
Das ist eines der Hauptprobleme bei der Planung von beruflicher Weiterbildung; dem Kunden sind die Lernziele meist selbst nicht klar. Er kennt das Thema und vertraut darauf, dass wir Trainer die Gießkanne schon weit genug kreisen lassen. Ohne vorhandenes Vorwissen und klare Lernziele soll man dann begeisternde Seminare machen. Am besten so, dass die Teilnehmer*innen am nächsten Tag alles anders machen. Hast Du auch solche Auftraggeber?
Viele Dozenten und Dozentinnen geben sich jetzt damit zufrieden. Nicht weil sie nicht auch bessere Seminare mit mehr Informationen planen könnten, sondern weil sie Angst haben dem Auftraggeber auf den Nerv zu gehen und den hart erarbeiteten Auftrag wieder zu verlieren.
Das geht allerdings immer zu Lasten der Lernenden. Inhalte könnten viel besser auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten werden, wenn diese Informationen vorliegen würden.
Du hast folgende Möglichkeiten, das zu nachzujustieren:
1. Das Gespräch mit dem Verantwortlichen suchen und klären, ob es nicht doch ein klares Lernziel gibt. Am besten SMART formuliert (Dein Erfolg ist daran messbar).
2. Wenn möglich eine digitale Teilnehmerumfrage erstellen und die Teilnehmenden selbst befragen. Wenn es geht dann kannst Du im Vorfeld über Microsoft forms, google forms oder Typeform wunderbar Daten sammeln.
4. Dann hast Du vielleicht am Ende die wichtige Information welche Lernziele die Teilnehmenden haben. Das deckt sich ja häufig nicht mit den Unternehmenswünschen.
5. Du kannst ein Anschreiben machen welche im internen Verteiler an die Teilnehmenden gesendet wird. Hier kannst Du auf die Inhalte des Seminars hinweisen und darum bitten, dass die Teilnehmer*innen sich für den Start schon einmal die größten Herausforderungen in Bezug auf (das Thema) überlegen. Was müsste sich ändern damit Du erfolgreich (Dein Thema) anwenden kannst; versuche hier wirklich herauszufinden, mit welchen Hindernissen die Teilnehmer*innen kämpfen.
Der kleine Tod im Online-Seminar
Wenn gar nichts geht dann muss eben im Seminar eine Methode her, bei der Du zum Start eben genau das herausfinden kannst. Dann lässt sich Erwartung mit dem mitgebrachten Inhalt abgleichen. Hier steht und fällt nämlich dann die Aufmerksamkeit. Spätestens wenn die Teilnehmenden das Gefühl haben, im falschen Seminar zu sitzen. Das ist Online leider noch katastrophaler als im Präsenzseminar. Weshalb? Weil Deine Teilnehmer sich tatsächlich mit etwas anderem beschäftigen können. Sie behaupten einfach die Verbindung ist schlecht und schalten das Video aus, der Ton ist sowieso aus und Du bist mit Deinem Seminar einfach abgemeldet.
Weshalb schreibe ich so überaus ausdauernd zu diesem Punkt?
Weil Du Dir Gedanken über Methoden und Tools machen kannst so viel Du möchtest; wenn Deine Lernenden nicht in Deinem Boot sitzen, dann schwimmen sie gerade im Online-Seminar einfach davon.
Schritt 3 Einen groben Ablaufplan mit den Seminarphasen erstellen
• Begrüßung, Eröffnung, Vorstellungsrunde – Onboarding
• Sammlung von Beiträgen/Meinungen
• Wissen erarbeiten
• Anleiten und Einteilen von Gruppenarbeiten
• Präsentieren und Auswerten von Gruppenarbeiten
• Diskussionen im Plenum
• Gestaltung von Feedback- und Abschluss- bzw. Rückblicksrunden
• Transferplanung
Hierbei sind dann die Lerninhalte mit Methoden zu belegen. Ich habe es ja gut, die Lerninhalte werden mir vorgegeben und so kann ich mir das sparen meine Inhalte zuzuordnen – ein Schritt den ich jetzt mal auslassen kann.
In dieser Planungsphase liegt ja unsere didaktische Hauptarbeit, da fließt ganz viel Gehirnschmalz hinein, an Bekanntes anzuknüpfen und darauf zu achten, dass man genügend Wechsel der Sozialformen einbaut, dass der Methodenmix dem Lernziel dient. Genügend Pausen und gegebenenfalls auch Aktivierungen einzubauen. Darauf zu achten, dass die Teilnehmer*innen nicht überfordert sind. Nicht nur den Zufriedenheits- und den Lernerfolg zu messen, sondern auch einen Transfererfolg planen und prüfbar machen.
Ich plane das alles als wenn das Seminar offline wäre! Erst wenn ich das ganze Seminar geplant habe schaue ich mir an mit welchen Methoden und Tools ich das Online ersetzen kann.
Das hat für mich den Vorteil, dass ich ein solches Seminar dann auch wieder in Präsenz schulen kann; wenn möglich oder gewünscht. Ich sehe genau, wenn ich kein Tool oder keine passende Methode zur Hand habe, in welcher Rhythmisierung ich eine Methode suche. Ich bewege mich immer noch in bekannten „Präsenzmethoden“, die einem Lernziel einem Lerntyp zuordnen kann. Dann kann ich viel leichter eine „Online-Lösung“ finden.
Vielleicht ist es irgendwann einmal so weit, dass Trainer*innen nur in Online-Seminaren denken können. Ich glaube gerade jetzt ist es gut sich in beiden Welten fachlich auszukennen, zumal man damit auch an Bekanntes für die Teilnehmenden anknüpfen kann. Wenn Du online ein Rollenspiel machst, dann können sich die Teilnehmenden noch sehr gut in das Setting eines Rollenspiels eindenken.
Der Faktor Zeit ist ja bekanntlich immer ein wichtiger Faktor in dieser Planung. In der Weiterbildung gibt es einen Richtwert; nur 80 % der Zeit zu verplanen und 20 % Puffer einzubauen. Ich gehe so weit, dass ich sage, dass sich der Anteil von verplanter Zeit noch um 10-15 % verringert. Das liegt einfach an Unvorhersehbarkeit von Technik, an Kommunikationsstörungen bei Aufgabenstellungen, an mangelnder Disziplin oder Ablenkung der Teilnehmenden bei Online-Seminaren. Die Aufnahmefähigkeit bei Online Seminaren ist einfach auch geringer. Pausen und Aktivierungen sind wichtiger Bestandteil Deiner Online-Planung.
Es ist für Dich besonders dringlich, dass Du gut vorbereitet bist, einen aktivierenden Methodenmix im Koffer hast und dann genau darauf achten kannst wie Deine Teilnehmer reagieren.
Dann wirst Du feststellen, auch Online macht den Teilnehmer*innen das Lernen Spaß. Und Du bist wieder genauso souverän wie in Deinen Präsenz-Veranstaltungen.
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